Ausgerechnet beim besonders klimakritischen Straßengüterverkehr passiert praktisch nichts, wenn es nach dem in dieser Woche im Bundesrat zur Debatte stehenden Klimaschutzkonzept der Bundesregierung geht, während gleichzeitig die staatlich induzierten Energiekosten des elektrisch betriebenen Schienenverkehrs ansteigen sollen. Der Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE), Peter Westenberger, sprach in Berlin von falschen Weichenstellungen und erheblichen Risiken für die neuen Klimaziele der Regierung. „Tatsächlich wachsen hierzulande jedes Jahr parallel zur Menge des Straßengüterverkehrs dessen Treibhausgasemissionen, das heißt zwischen 1,5 und gut 3 Prozent pro Jahr.“
Im Güterverkehr könnten ein für 2023 angekündigter CO2-Aufschlag auf die Bundesfernstraßen-Maut und der ab 2021 geplante und von verfassungsrechtlichen Zweifeln begleitete Als-ob-Emissionshandel verkehrsverlagernd und effizienzsteigernd wirken. Während die Mautkomponente ein schon älteres Regierungsversprechen ist, aber in den vier aktuellen Gesetzen nicht angesprochen wird, soll der „Brennstoffemissionshandel“ mit zunächst 10 Euro pro Tonne CO2 unter anderem den Diesel-Preis ab 2021 stufenweise um zunächst etwa drei bis 2025 gut zehn Cent pro Liter verteuern. Nach Einschätzung des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) werden diese niedrigen Werte aber keine spürbare Wirkung in der Logistik entfalten und etwa Verlader dazu bewegen, künftig deutlich mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Westenberger: „Gleichzeitig schreibt die Regierung im Gesetzentwurf selbst, dass sie bei dem - eventuellen - CO2-abhängigen Bundesfernstraßen-Maut-Aufschlag `eine Doppelbelastung des Güterkraftgewerbes (…) insbesondere durch Einführung eines Rückerstattungsmechanismus für die Mehrausgaben aus dem Emissionshandel´ vermeiden will.“ Im Ergebnis, so Westenberger müssten die Logistiker in der Wirtschaft erneut den Eindruck gewinnen, sie seien nicht gemeint, wenn es um den Klimaschutz geht. Dazu passe leider auch, dass die CO2-Spreizung der Lkw-Maut bereits von der Vorgängerregierung vor knapp fünf Jahren (am 4. Dezember 2014) im „Aktionsprogramm Klimaschutz“ beschlossen, aber nicht umgesetzt worden war. Das Vorhaben sollte jährlich den CO2-Ausstoß um bis zu 2,3 Millionen Tonnen CO2 senken – und das schon 2017.
Kurzfristig würden den industriellen Verladern sowieso völlig konträre Preissignale von der Politik gesandt. In einem seit einem Monat unbeantworteten Schreiben an die zuständigen Ressorts der Regierung hatte der Verband der Wettbewerbsbahnen darauf hingewiesen, dass schon 2020 die zu 95 Prozent umweltfreundlich elektrisch betriebenen Güterbahnen deutliche Abgabenerhöhungen für Strom schultern müssen und die Wettbewerbsfähigkeit zum „stromfreien“ Straßengüterverkehr belasteten. Die Netzentgelte im Bahnstromnetz steigen dann nämlich um gut zehn Prozent bzw. 0,59 Cent/kWh und auch die - bei der Schiene wenigstens nicht voll angelastete - EEG-Umlage steigt 2020 um 5,5 Prozent an. Diese Steigerung liegt höher als die im Klimaschutzkonzept der Regierung – erst für 2021 - angekündigte EEG-Umlagensenkung von 0,25 Cent/kWh. Westenberger: „Die Widersprüche zwischen verbaler Unterstützung der Schiene und realer Schwächung ihrer Wettbewerbsfähigkeit versteht kein Marktteilnehmer und kein Bürger. Wehe wenn Wirtschaft und Bürger sich `behutsam an die(se) neue Politik gewöhnen´, wie es Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ausdrückte.“
Westenberger abschließend: „Wenn das alles ist, was die Regierung nun für den Klimaschutz im Güterverkehr auf den Weg bringt, kann der Bundesverkehrsminister schon jetzt das erste Klimaschutz-Sofortprogramm im Ministerium in Auftrag geben.“ Diese Nachsteuermöglichkeit nach § 8 des neuen Klimaschutzgesetzes ist der ganze Stolz der Regierung. Allerdings sollte bedacht werden, dass dieses Sofortprogramm nach den Fristen des Gesetzes mitten im Bundestagswahlkampf 2021 vorgelegt werden müsste.
Die Wettbewerbsbahnen forderten von der Regierung stattdessen, die Investitionen in zusätzliche Infrastruktur und innovative Technologien schnell hochzufahren und eindeutige Preissignale zur Verkehrsverlagerung zu geben. Von den Beratungen im Bundesrat erhoffen sich die Wettbewerbsbahnen ein eindeutiges Signal, dass die bisherigen Ansätze der Regierung den großen Aufgabenstellungen im Klimaschutz schlicht nicht gerecht werden.
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