Die Generalsanierung auf der Strecke Nürnberg – Regensburg im Jahr 2026 kann wie geplant durchgeführt werden. Die Beschlusskammer 10 – Eisenbahn (BK 10) der Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die Beschwerde des Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU) agilis Verkehrsgesellschaft mbH & Co. KG nach einer sechsmonatigen Verfahrensdauer am 07. Febru-ar zurückgewiesen. agilis hatte mit der Beschwerde eine Verletzung ihres Rechts auf Zugang zum Schienennetz der DB InfraGO geltend gemacht.
agilis hielt die geplante Totalsperrung der DB InfraGO für rechtswidrig und forderte deren Untersagung durch die BK 10. Die Regulierungsbehörde sah jedoch keinen ausreichenden Grund, um gegen die Baumaßnahme vorzugehen. Auf 44 Seiten begründet die BK 10 ihre Entscheidung und erläutert relevante Zusammenhänge. Der Beschluss sowie die enthaltenen Hinweise werfen aus Sicht der EVU einerseits kritische Fragen zum Vorgehen der Bundesnetzagentur auf, liefern andererseits aber auch wichtige Erkenntnisse für das zukünftige Vorgehen:
Gesetzlicher Anker für die Beschwerde war insbesondere § 61 Abs. 1 des Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG). Danach sind Baumaßnahmen so zu planen, dass Zugangsberechtigte möglichst wenig beeinträchtigt werden. Mehrmonatige Totalsperrungen stellen für die betroffenen EVU jedoch erhebliche betriebliche und finanzielle Herausforderungen dar. agilis hatte ihre Betroffenheit und die desaströsen Auswirkungen auf die Verkehre im Verfahren nachdrücklich dargelegt. Dennoch bewertete die BK 10 die Beschwerde als unbegründet. Sie berief sich darauf, dass die DB InfraGO glaubhaft dargelegt habe, dass die Baumaßnahme nur mit einer längeren Totalsperrung durchgeführt werden könne.
Gegenüber den EVU wurde dies hingegen nicht transparent nachgewiesen. Den Verfahrensbeteiligten lagen keine detaillierten Unterlagen über die geplanten Arbeiten oder Berechnungen zu Kosten und Nutzen vor. Die DB InfraGO bezeichnete diese Informationen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, weshalb sie nur von der Beschlusskammer eingesehen werden konnten. Fraglich ist, ob die BNetzA über die notwendigen Ressourcen verfügt, um die technischen Planungen angemessen zu bewerten, oder ob sie sich dabei allein auf die Aussagen der DB InfraGO verlässt.
Ein weiteres zentrales Argument der BK 10 für die Ablehnung der Beschwerde war die fehlende Beteiligung von agilis an den Konsultationsverfahren der DB InfraGO gemäß den Infrastrukturnutzungsbedingungen (INB). Besonders problematisch erschien der BK 10, dass in der ersten Konsultationsphase – bereits 40 Monate vor dem Fahrplanwechsel – kein Antrag auf die Prüfung von Alternativen gestellt wurde.
Die DB InfraGO stellt zu diesem Zeitpunkt grundlegende Informationen bereit, darunter Beginn und Ende der Kapazitätsbeschränkung, den betroffenen Streckenabschnitt, die erwartete und durchführbare Verkehrsmenge sowie mögliche Umleitungsstrecken. Nach Ansicht der betroffenen EVU reichen diese Angaben jedoch nicht aus, um zu bewerten, ob eine Totalsperrung tatsächlich notwendig ist. Denn detaillierte Informationen über die Art der Arbeiten und deren zwingende Erforderlichkeit werden nicht bereitgestellt. Für die EVU ist 40 Monate im Voraus auch oftmals nur bedingt absehbar, welche Verkehre betroffen sind, da die eigenen Verkehre mit den Endkunden für gewöhnlich kurzfristiger geplant werden.
Auch die EU-Verordnung (Annex VII) sieht nur begrenzte Informationspflichten vor. Demnach muss der Infrastrukturbetreiber bei langfristigen Kapazitätsbeschränkungen (mindestens 30 Tage und über 50 Prozent des Verkehrsaufkommens betreffend) den Antragstellern lediglich einen Vergleich zwischen mindestens zwei alternativen Kapazitätsbeschränkungen zur Verfügung stellen. Das bedeutet, dass die Prüfung von Alternativen der DB InfraGO in der Regel nur Randbedingungen betreffen, an der grundsätzlichen Planung jedoch wenig ändern.
Die BK 10 stellte dabei klar, dass EVU sich nur dann erfolgreich beschweren können, wenn sie innerhalb der vorgesehenen Fristen Anträge zur Prüfung von Alternativen stellen. Falls zu den Stichtagen x-40 oder x-33 (40 bzw. 33 Monate vor Fahrplanwechsel) kein solcher Antrag gestellt wird, entfällt das Recht, später eine Beschwerde gegen die Bauplanung bei der BNetzA einzureichen (Präklusion). Die DB InfraGO veröffentlicht die Fristen jährlich im Terminkalender für Bauplanungen, so auch in diesem Jahr: x-40 für die frühzeitige Kundeninformation in KOMBau am 20. August 2025, x-33 für die Veröffentlichung neuer großer Baumaßnahmen am 05. März 2025. Zu diesen Zeitpunkten können Alternativprüfungen für die entsprechenden Baumaßnahmen beantragt werden.
Die Beschlusskammer beschreibt in ihrer Entscheidung auch die einzelnen Konsultationsphasen und die Möglichkeiten zur Abgabe von Stellungnahmen. Nach bisherigen Erkenntnissen unseres Verbandes führen diese jedoch selten zu Änderungen in den Planungen der DB InfraGO. EVU bemängeln wiederholt stereotype, unbegründete Ablehnungen ihrer Vorschläge. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Methodik der Wirtschaftlichkeitsberechnungen für Generalsanierungen. Diese berücksichtigen kaum die zusätzlichen Kosten, die für betroffene EVU und deren Kunden entstehen. Dieses Defizit wird seit Jahren kritisiert, hat jedoch bisher keine politischen Änderungen bewirkt.
Hinzu kommt, dass die DB InfraGO in vielen Fällen gegen die vertraglich festgelegten Informationsfristen für Baumaßnahmen verstößt. Solche Verstöße wurden auch im vorliegenden Verfahren festgestellt, führten jedoch – aus Sicht der Branche nicht nachvollziehbar – nicht zu Beanstandungen durch die BK 10. Für die betroffenen EVU bedeutet dies einen erheblichen Aufwand für kurzfristige Neuplanungen, Umlaufanpassungen und Fahrplanänderungen. Diese Problematik wurde der BK 10 bereits mehrfach vorgetragen und führte zu der Festsetzung von zwei Zwangsgeldern in moderater Höhe, die bislang bei der DB InfraGO keine Motivation erzeugen, die eigenen Prozesse der Bauplanung und -information wieder regelkonform umzusetzen.
Fazit:
Während die EVU massive betriebliche und finanzielle Einschränkungen hinnehmen müssen, bleibt die Entscheidungsgewalt weitgehend in den Händen der DB InfraGO, die wie ein Dirigent eines Orchesters allein den Takt der Baumaßnahmen vorgibt – allerdings ohne auf die Einsätze der Mitspieler zu achten. Fristen für Bauinformationen werden aufgrund fehlender Strafzahlungen oft auf Kosten der EVU überschritten, Transparenz fehlt, und wirtschaftliche Auswirkungen auf Dritte werden zu häufig ignoriert. Solange sich an diesen Rahmenbedingungen nichts ändert, bleibt die Möglichkeit, gegen langfristige Totalsperrungen vorzugehen und marktverträglichere Alternativen einzufordern, für EVU stark eingeschränkt.
Wolfgang Groß
Beauftragter des Vorstandes für Wettbewerbsfragen
DIE GÜTERBAHNEN