Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat wurde am gestrigen Abend ein Kompromiss zu der seit mehr als einem Jahr kontrovers diskutierten 4. Novelle des Bundesschienenwegeausbaugesetzes beschlossen. Das an mehreren Stellen geänderte Gesetz soll noch in dieser Woche von Parlament und Länderkammer final bestätigt werden. Auf die höchst unterschiedlichen Ergebnisse für Güter- und Personenverkehr und die Limits des Gesetzesvorhabens insgesamt weisen DIE GÜTERBAHNEN hin.
Die Einigung von Bund und Ländern, den Schienengüterverkehr schlechter als den Personenverkehr zu stellen, führt bei den Güterbahnen zu zwei zusätzlichen milliardenschweren Kostenpaketen. Nur über Preiserhöhungen, die eine Abwanderung von Ladung zum Lkw zur Folge haben werden, kann die Branche das Ergebnis der politisch ausgelösten Kostensteigerungen auffangen. Peter Westenberger, Geschäftsführer der GÜTERBAHNEN, sagte in einem Pressegespräch zur Einigung: „Ampel und Länder selbst torpedieren mit ihren Entscheidungen ihr Ziel zur Steigerung des Schienenanteils im Güterverkehr auf 25 Prozent bis 2030. Und sie schwächen damit den Wirtschaftsstandort Deutschland.“
Auf der Basis von Zahlen der Bundesnetzagentur und des Bundesverkehrsministeriums ist der Marktanteil der Schiene im Güterverkehr bereits im vergangenen Jahr um einen Prozentpunkt von 20 auf 19 Prozent gesunken. Westenberger: “Neben bevorstehenden exorbitanten Trassenpreissteigerungen und Förderkürzungen führt die BSWAG-Novelle darüber hinaus zu etwa 3,1 Mrd. Euro höheren Belastungen der Branche beziehungsweise ihrer Kunden.“ Etwa 1,5 Milliarden Euro an Mehrkosten entstehen nach Berechnungen der GÜTERBAHNEN aus höheren Betriebskosten durch extrem weite Umwege im Zuge der geplanten 41 Korridorsanierungen, bei denen wichtige Hauptstrecken für fünf und mehr Monate voll gesperrt werden sollen. Anders als beim Schienenpersonennahverkehr hat der Bund von Beginn an eine Kompensation rundweg abgelehnt. Die Bundesländer, die sich zunächst dank der Initiative des Landes Baden-Württemberg die Kompensation auf die Fahne geschrieben hatten, ließen die Forderung im Zuge der Verhandlungen fallen. Die Einigung zu der ebenfalls von den Bundesländern geforderten gesetzlichen Regelung der sogenannten ETCS-Fahrzeugförderung benachteiligt den Schienengüterverkehr ebenfalls im Vergleich zum Schienenpersonennahverkehr – und führt nach Schätzungen der GÜTERBAHNEN bei der Umsetzung nach dem jetzigen Kostenstand zu 1,6 Milliarden Euro Zusatzkosten im Mindestfall. Die Kosten entstehen für den Einbau von Geräten in den Triebfahrzeugen der Züge, damit das geplante neue Leit- und Sicherungssystem ETCS an den Strecken genutzt werden kann.
Westenberger: „Das Gesetz bringt mit den Optionen zur Finanzierung von Instandhaltungsaufwand sowie bisher nicht förderfähiger Infrastrukturen auch wichtige Durchbrüche für die Schiene. Allerdings ist es an keiner Stelle mit dem Bundeshaushalt oder der erneut ausgesparten Idee eines Infrastrukturfonds verknüpft. Wie es mit der überfälligen Einführung der neuen Leit- und Sicherungstechnik ETCS weitergeht, ist wegen der interpretationsfähigen Festlegungen des gestrigen Abends für uns ehrlich gesagt genauso offen wie zuvor. Immerhin wird es nun überhaupt eine gesetzlich verankerte Möglichkeit für die Förderung der Fahrzeugumrüstung geben. Wichtig ist auch, dass die Länder den von der DB AG gewünschten absoluten Vorrang von Bundesinvestitionen in die Sanierung vor den unabdingbaren gleichzeitigen Investitionen in den Netzausbau abwenden konnten. Insgesamt stehen wir fassungslos vor den Schwächungen der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene. Dass die finanzielle Zermürbung des Schienengüterverkehrs etwa zeitgleich mit der finalen Entscheidung über die Lkw-Maut-Erhöhung im Herbst 2023 begann, ist eine bemerkenswerte Erkenntnis.“
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