Stellungnahme vom 11. Oktober 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
gerne nehme ich Stellung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes (Drs. 20/3171). Dem Ziel, die Mautteilsätze für die Anlastung der externen Kosten von Lärm- und Luftschadstoffemissionen des Lkw-Verkehrs zu erhöhen, ist ungeachtet der folgenden Anmerkungen zuzustimmen. Grundlage hierfür ist das Wegekostengutachten vom Dezember 2021.
Es ist bedauerlich, dass der Gesetzentwurf nur marginale Änderungen an den Regeln der Lkw-Maut vorsieht. Die Festlegungen im Koalitionsvertrag vom 8. Dezember 2021 (abgestimmte Anlastung der externen Kosten der Klimawirkungen des Lkw-Verkehrs, Entfall der Maut im Vor- und Nachlauf des kombinierten Verkehrs, Ausdehnung der Maut auf Lkw ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht) sollen ebenso wenig wie die nach der Novellierung der mit Wirkung zum 24. März 2022 geänderten EU-Wegekostenrichtlinie 1999/62/EG nun realisierbare „Staugebühr“ eingeführt, noch die z.B. von der Landesregierung von Baden-Württemberg im Koalitionsvertrag vom Mai 2021 angestrebte bundesweite Erweiterung der Lkw-Mautpflicht auf das Landes- und Kommunalstraßennetz aufgegriffen werden.
Die derzeitige Höhe und die beabsichtigte Anhebung sollten güterverkehrspolitisch eingeordnet werden.
Für DIE GÜTERBAHNEN stellen die niedrigen Sätze der überhaupt erst 2005 eingeführten Lkw-Maut seit vielen Jahren ein ernstes Hindernis bei der Verlagerung von Güterverkehren von der Straße auf die Schiene dar. Während das relative Preisverhältnis der Verkehrsmittel im Güterverkehr die maßgebliche Prämisse (neben Qualität und vor Geschwindigkeit) für die Verkehrsmittelwahl ist, wird die Bedeutung der Transportkosten insgesamt regelmäßig stark überschätzt.
Tatsächlich sind diese nur für einen geringen Anteil an den Preisen von Konsumgütern – in der Regel im unteren einstelligen Prozentbereich – verantwortlich. Letztlich tragen nicht die Transportunternehmen, sondern die verladende Wirtschaft und letztlich die Endkund:innen die angelasteten Infrastruktur- oder externen Kosten. Dort sind die Auswirkungen der Mautkosten kaum spürbar. Ganz zutreffend schreibt die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung auf Seite 11: „Einzelpreisanpassungen können nicht ausgeschlossen werden. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind jedoch nicht zu erwarten.“ Das gälte im Übrigen auch bei höheren Mautsätzen.
Dass die Relevanz des vorgelegten Gesetzentwurfs (zu) gering ist, liegt darin begründet, dass die vorgesehene Erhöhung der Mautteilsätze für Lärm- und Luftverschmutzung an sich gering ist. Das Mautaufkommen lag 2021 bei 7,639 Mrd. Euro. Im ersten Jahr der Neuregelung werden Einnahmen von 8,021 Mrd. Euro erwartet. Die Einnahmensteigerungen, die nicht allein auf die Erhöhung der Mautteilsätze, sondern auch auf ein ansteigendes Fahrtenaufkommen zurückgehen, würden somit in diesem Zweijahres-Abschnitt 382 Millionen Euro (oder 5,0 Prozent) betragen – und nur im Durchschnitt der kommenden fünf Jahre bei 665 Mio. Euro liegen. Diese Größenordnung würde weder relevante erwünschte noch befürchtete unerwünschte Folgewirkungen nach sich ziehen. Bezüglich der Relevanz für die verladende Wirtschaft und Konsument:innen sei hier nur exemplarisch darauf hingewiesen, dass der Kostenanteil der Maut an den gesamten Transportkosten, z.B. im Sammelgutverkehr nach einer Analyse des DSLV vor der Corona-Krise (2019, kurz nach der Ausweitung auf alle Bundesstraßen), bei nur 4,3 Prozent lag.
Hinzu kommen die Mechanismen des „geschlossenen Finanzierungskreislauf Straße“. Die Mittelverwendung der Anlastung externer Kosten im jetzigen Modell ist kontraproduktiv und unterstützt weder die güterverkehrspolitische Zielsetzung zur Verkehrsverlagerung noch die Minimierung der negativen Umweltwirkungen (was das eigentliche Ziel der Anlastung externer Kosten ist).
Die Zweckbindung der Einnahmen aus der Lkw-Maut für den Straßenbau (Finanzierungskreislauf Straße) sowie verschiedene Maßnahmen zur „Rückgabe“ der von Lkw-Betreiber:innen erhobenen Beiträge an die Branche im Umfang von 450 Mio. Euro p.a. fördern die weitere Steigerung von Menge und Marktanteil der Straße im Gütertransport. Analog zu den Regelungen der „Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe“ in der Schweiz sollte dagegen ein relevanter Anteil der Einnahmen zur Schaffung von umweltfreundlicheren und sichereren Alternativen (insbesondere im Bereich des Schienenverkehrs) verwendet werden. Dies ist besonders unter dem Aspekt zu berücksichtigen, dass nach dem vorliegenden Wegekostengutachten alleine auf den Bundesfernstraßen von 2023 bis 2027 rund 1,6 Mrd. Euro aus der Anlastung der Lärm- und Luftverschmutzungskosten eingenommen werden sollen, ohne dass diese Mittel zur Reduktion der Belastungen für Mensch und Umwelt eingesetzt werden. Der Ausbau des klima- und umweltfreundlicheren Schienenverkehrs einschließlich der Verbesserung des Lärmschutzes aus den Mitteln der Teilsätze für externe Kosten würde dagegen ähnlich wie in der Schweiz und in diesem Rahmen europarechtskonform eine Möglichkeit darstellen, nicht nur der verladenden Wirtschaft quantitative und qualitative bessere Alternativen zum Straßentransport zu Verfügung zu stellen, sondern auch die Umweltbelastungen zu reduzieren. Eine entsprechende Konzeption hat das Beratungsunternehmen INFRAS im Auftrag des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen entworfen, die dem Bundesminister für Digitales und Verkehr im Frühjahr übermittelt wurde und auf der Homepage des Verbandes bereitgestellt wurde: https://die-gueterbahnen.com/assets/files/news/2021/konzept-fuer-eine-verkehrswendefreundliche-lkw-maut-maerz-2022-infras.pdf
Das INFRAS-Konzept unterscheidet dagegen hinsichtlich der Verwendung der Mittel aus der Maut klar zwischen den Mautanteilen, die aus der Infrastrukturabnutzung und dem Infrastrukturbetrieb herrühren (und die auch für diese auf den verschiedenen Ebenen der Baulastträgerschaft zu verwenden wären) und den Einnahmen aus externen Kosten und ggf. der neuen Staugebühr, die auch für die Verbesserung der Situation bei den verkehrlichen Alternativen (wie es die Schweiz von Beginn an gemacht hat) eingesetzt werden dürften. Während in der Schweiz bereits von Beginn der Erhebung der „Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe“ an wesentliche Teile der eingenommenen Mittel für den Ausbau leistungsfähiger Alternativen zum Lkw-Verkehr (auf der Schiene) eingesetzt wurden, verzichtet die Bundesregierung seit der Etablierung des „Finanzierungs-kreislauf Straße“ (2011) auf diese Möglichkeit.
Leider wurden die positiven Erfahrungen der Schweiz, die im Übrigen auch eine etwa fünffach höhere Maut für schwere Lkw erhebt, hierzulande nicht in der politischen Diskussion aufgegriffen. Während in der Schweiz nicht zuletzt durch den Gleichklang von Mauterhebung und Ausbau der Schiene der intermodale Marktanteil der Schiene im alpenquerenden Verkehr bei 75 Prozent liegt, tendiert in Deutschland der Marktanteil der Straße von einem hohen Niveau aus weiterhin leicht nach oben – bei weiterhin wachsenden absoluten Verkehrsmengen.
Deutschland hat als Transitland ähnlich wie die Schweiz (und Österreich) einen faktisch großen Einfluss auf die europäischen Güterverkehrsstrategien - allerdings in deutlich größerem Umfang als diese beiden Staaten. Die hiesige niedrige Lkw-Maut stammt aus den Zeiten einer unhinterfragten Begeisterung für das Wachstum des Güterverkehrs als Indikator für eine prosperierende Wirtschaft und europäische Integration. Die lange versprochene Förderung des Schienentransports statt der Ausweitung transkontinentaler Straßengüterverkehre sollte nun auch durch eine angepasste deutsche Mautstrategie unterstützt werden.
Mit Blick auf die im Koalitionsvertrag angekündigten Änderungen sind die folgenden Anmerkungen zu verstehen.
Mit der Einführung der CO2-Abgabe in Deutschland hat sich die Idee einer CO2-gespreizten Lkw-Maut überlebt. Die Befreiung von Lkw mit „alternativen Antrieben“ von jeglicher Mautpflicht ist eine besonders weitgehende Form der „Spreizung“ der Maut nach CO2-Kriterien und angesichts der sonst strengen Argumentation, dass die Maut in erster Linie Wegekosten decken soll, auch unverständlich. Denn selbstverständlich nutzen auch alternativ angetriebene Lkw die Infrastruktur (ab) – im gleichen Umfang wie dieselbetriebene.
Das INFRAS-Konzept macht deutlich, dass es für die Anlastung der Klimakosten und damit auch die Incentivierung klimafreundlicher Lkw-Antriebe systematisch bessere Instrumente gibt, nämlich die CO2-Abgabe oder die Energiesteuer. Dessen ungeachtet bedeutet die angekündigte Aussetzung der nächsten Stufe der ohnehin schwach dimensionierten CO2-Abgabe, dass 2023 nach dem jetzigen Stand weder das eine (CO2-Spreizung) noch das andere (CO2-Abgabe) angekündigte bzw. rudimentär eingeführte Instrument schlüssig weiterentwickelt würde.
Es sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass die relevante Größe der externen Unfallfolgekosten, die nicht den Verursacher:innen bzw. deren Versicherungen getragen werden, einer vertieften Überprüfung harrt und zur Herstellung von Kostenwahrheit auf die Wegekosten aufgeschlagen werden müsste.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Westenberger
Geschäftsführer