Der Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing will Medienberichten zufolge am morgigen Freitag, kurz vor der Kabinettsklausur in Meseberg, mit der Veröffentlichung einer bis ins Jahr 2051 reichenden „Gleitenden Langfrist-Verkehrsprognose“ seinen Anspruch untermauern, beschleunigt das Bundesautobahnnetz auszubauen. Das Verkehrsministerium hatte bereits Anfang Dezember beim „Infrastrukturdialog“ über eine solche Prognose abstrakt informiert. Während der Verkehrsminister in den vergangenen Wochen bereits mehrfach Daten aus der Auftragsarbeit für die politische Debatte genutzt und für die Schiene relevante sinkende Mengen etwa bei Kohleverkehren zur Begründung weiteren Straßenbaus genutzt hat, konnte die Branche bisher – anders als bei der halbjährlich erstellten „Gleitenden Mittelfristprognose“ – die Prognose nicht einmal prüfen.
Peter Westenberger, Geschäftsführer der GÜTERBAHNEN, nimmt Stellung zur verkehrspolitischen Bedeutung dieses Vorgehens:
„Eine Prognose ersetzt keine Politik. Die Ampel hatte sich unter anderem aus Klimaschutzgründen für eine Politik der Verlagerung von Straßengüterverkehr auf die Schiene verschrieben. Das politische Schienenziel, 25 Prozent Marktanteil, erfordert etwa 50 Prozent Zuwachs der Verkehrsleistung in Tonnenkilometer bis 2030. Den vorab vom Verkehrsminister veröffentlichten Werten zufolge erwarten seine Gutachter:innen binnen rund 40 Jahren, bis 2051, dagegen nur ein Schienenwachstum von 33 Prozent. Normalerweise sollte ein solches Ergebnis zur Überprüfung der verkehrspolitischen Instrumente führen. Der Verkehrsminister scheint dagegen indirekt das Verlagerungsziel der Ampel in Frage zu stellen – und würde damit die Zielverfehlung des Verkehrs bei den Klimazielen weiter vergrößern.
Wissings Äußerungen, die Schiene würde wegen wegbrechender Massenguttransporte wie Kohle kaum wachsen, führt in die Irre. Die Expert:innen der Gleitenden Mittelfristprognose* gehen zwischen 2019 und 2024 von einem stärkeren Wachstum beim Schienengüter- (+ 4,7 Prozent) als beim Straßengüterverkehr (+ 4,1 Prozent) aus. Der Wachstumsmarkt ist der Kombinierte Verkehr (+ 12,7 Prozent), welcher die frei werdenden Trassen der Kohleverkehre gut gebrauchen kann. Dass Paketsendungen auf der Straße transportiert werden, liegt zudem keinesfalls in der Natur der Sache.
Die Regierung muss jetzt aufwachen: Die Anfragen aus der verladenden Wirtschaft nach Schienentransporten nehmen immer mehr zu, weil die Unternehmen die Regierungsankündigungen und das Klimaschutzgesetz ernst nehmen. Der Umfang und die Verkehrsmittelwahl im Transport sind nicht naturwüchsig, wie es Wissings über sechs Legislaturperioden reichende Langfrist-Verkehrsprognose suggeriert. Das System reagiert allerdings wie Pflanzen auf die Zugabe von Wasser, Licht und Dünger. Investitionen in Verkehrswege sind der staatliche Dünger, finanzielle Rahmenbedingungen und Ordnungsrecht so etwas wie Wasser und Licht für die Verkehrsmittel. Ihre Ziele erreicht die Ampel nur, wenn sie das verdorrte Eisenbahnfeld düngt und wässert.“
*Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr – Mittelfristprognose Sommer 2022
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