Der Europäische Rat hat gestern Ergänzungen und Korrekturen zum Entwurf der „Verordnung über die Nutzung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn im einheitlichen europäischen Eisenbahnraum“ vorgelegt. Die Verordnung soll das Ziel eines gemeinsamen europäischen Schienennetzes stärken. Der Rat weicht in entscheidenden Punkten allerdings vom Vorschlag des Europäischen Parlaments ab. So würde die Stellung von Eisenbahnverkehrsunternehmen gegenüber Infrastrukturbetreibern verschlechtert, statt sie zu verbessern.
Neele Wesseln, Geschäftsführerin der GÜTERBAHNEN kommentiert:
„Der Europäische Rat würde die Schieneninfrastrukturbetreiber scheinbar am liebsten aus ihrer Verantwortung entlassen, für die Qualität der von ihnen angebotenen Infrastruktur zu haften. Die Vision eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums mit klar geregelten Marktbedingungen für Eisenbahnverkehrsunternehmen, die im Text des Europäischen Parlaments noch eindeutig zu erkennen war, ist verwässert. Eine Abschwächung der Leistungsüberprüfung, eine Einschränkung von Schadensersatzforderungen bei Schlechtleistungen, schwache Eingriffsmöglichkeiten der Regulierung und eine Verschiebung von Umsetzungsfristen lassen die Betreiber von Schieneninfrastruktur an der langen Leine, wie sie sich der Gesetzgeber bei einem natürlichen Monopol wie der Infrastruktur nicht leisten kann. In den weiteren Verhandlungen sollte sich die Bundesregierung unbedingt dafür einsetzen, sich der Position des Parlaments wieder anzunähern.“
Weiteres zum Inhalt:
Die Allgemeine Ausrichtung des Europäischen Rates schwächt unter anderem die Möglichkeit ab, bei Vertragsverletzungen zwischen Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnverkehrsunternehmen zwischen einer pauschalen Vertragsstrafe und der Forderung von Schadensersatz zu wählen. Eine unparteiische Leistungsüberprüfungsstelle wurde komplett aus dem Gesetz gestrichen, zudem wurden neue Schlupflöcher für Infrastrukturbetreiber geschaffen, um Sanktionen bei Kapazitätseinschränkungen zu umgehen. Damit besteht ein schwächerer Anreiz für die Infrastrukturunternehmen, bei ihren Planungen auf die Bedürfnisse der Eisenbahnverkehrsunternehmen einzugehen. Schlussendlich verschiebt die Allgemeine Ausrichtung des Rates Umsetzungs- und Überarbeitungsfristen für die ganze Verordnung nach hinten. Statt einer Marktverbesserung werden Infrastrukturbetreibern noch mehr Möglichkeiten gegeben, die Qualität ihrer Leistungen schleifen zu lassen.
Zum Hintergrund der Verordnung:
Mit dem Verordnungsentwurf soll ein umfassendes Regelwerk für das Kapazitätsmanagement im europäischen Schienenverkehr sowie für das Verkehrs- und Leistungsmanagement eingeführt werden. Dies soll unter anderem die Verordnung zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr ersetzen und die Richtlinie zum Einheitlichen Europäischen Eisenbahnraum abändern. Aus Sicht der GÜTERBAHNEN besonders wichtig ist die Harmonisierung von Regeln zur Kapazitätsvergabe und Regelungen bei Beschränkungen der Kapazitäten (Trassen) z. B. bei Baumaßnahmen. Nachdem die Europäische Kommission Mitte des letzten Jahres den ersten Entwurf vorgelegt hatte, hatte das Parlament im März eine Verhandlungsposition beschlossen. Dieser Entwurf stärkte die Rechte der Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Regulierung. Nach der Einigung des Rates auf eine allgemeine Ausrichtung beginnt nun der Einigungsprozess in den Trilogen zwischen Kommission, Parlament und Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf Grundlage der unterschiedlichen Textentwürfe.
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