Am 23. Februar wird der 21. Deutsche Bundestag gewählt. In dieser laufenden Wahlkampfphase haben DIE GÜTERBAHNEN nun einen intensiven Blick in die Wahlprogramme der Parteien geworfen und zusätzlich bei den Parteien oder deren Fachpolitiker:innen Fragen platziert. Hier lesen Sie, welche Parteien die Kernforderungen umsetzen wollen.
Ein Wahlprogramm zeigt gewissermaßen, wie die Politik einer Partei aussähe, hätte sie eine Mehrheit von 50 Prozent im nächsten Bundestag. Dies führt DIE GÜTERBAHNEN nach ihrer Analyse aller Wahlprogramme zu zwei wichtigen Appellen:
Dabei ergeben sich große Unterschiede zwischen den Parteien: „Sowohl Die Grünen als auch Die Linke betrachten die Bedürfnisse des Schienengüterverkehrs im Wahlprogramm und auf fachpolitischer Ebene am detailreichsten und versprechen weitreichende Verbesserungen. Union und SPD bleiben in ihrem Wahlprogramm viele Details schuldig. Die Fachpolitiker beider Parteien zeigen aber, dass die Bedürfnisse des Schienengüterverkehrs gesehen werden und schneiden ähnlich gut ab wie ihre Kollegen“, ordnet Neele Wesseln, Geschäftsführerin der GÜTERBAHNEN, die Analyse ein. Die FDP lässt viele Fragen offen, punktet aber wie zu erwarten im Bereich Wettbewerb auf der Schiene. „Verbesserungen im Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern geht die FDP jedoch ebenso aus dem Weg wie die Union. Dass im Moment nicht der bessere Verkehrsträger gewinnt, sondern der besser subventionierte, ist verkehrs-, markt- und klimapolitisch fahrlässig“, so Wesseln.
Drei Themen sehen DIE GÜTERBAHNEN darüber hinaus als zentral für die kommende Legislaturperiode an, weshalb hier besonders hingeschaut wurde:
1. Reorganisation der Eisenbahn
Die Union, die öffentlich mehrfach die Herauslösung der Infrastruktur aus dem DB-Konzern gefordert hat, formuliert es im Wahlprogramm erstaunlich schwach, indem „Infrastruktur- und Transportbereich stärker als bisher voneinander getrennt werden [müssen]“. Wenig überraschend positionieren sich SPD, Linke und das BSW gegen den notwendigen Schritt, die Infrastruktursparte der Deutschen Bahn AG aus dem Konzern herauszulösen. Dass die Grünen diesen Punkt in ihrem Wahlprogramm nicht erwähnen und auch auf Nachfrage bei Verkehrs-MdB Matthias Gastel keine klare Trennung gefordert wird, ist überraschend – das war vor der letzten Wahl noch der Fall.
Wesseln: „Die Einschätzung der Eisenbahnunternehmen ist eindeutig: Die Mini-Reform hin zur DB InfraGO AG hat keine Verbesserungen gebracht. Sollte die Union die kommende Regierung anführen, hoffen wir, dass sie in puncto Organisation des DB-Konzerns stark bleibt gegenüber jenen, die jede Reformbemühung beim Staatskonzern ablehnen.“
2. Investitionsfonds für Eisenbahninfrastruktur
2021 forderten Grüne und FDP einen Fonds für die Schieneninfrastruktur in ihren Wahlprogrammen. Dieser wurde in drei Jahren Ampel nicht eingeführt, allerdings gibt es bei fast allen Parteien Konsens, dass die Finanzierung von Infrastruktur künftig mehr Sicherheit braucht. Grüne und Linke sprechen sich mit klarem Verweis auf ein Fonds-Lösung für überjährige Investitionssicherheit aus, Union und FDP sehen die Notwendigkeit für dauerhafte Schieneninfrastrukturfinanzierung – allerdings ohne ein Fonds-Modell zu erwähnen. Die SPD bietet weniger: sie feiert sich für Rekordinvestitionen, ein Fonds-Modell kommt nicht vor. SPD-Verkehrs-MdB Christian Schreider spricht sich jedoch für das Fonds-Modell aus.
Wesseln: „Ein scheinbarer Konsens der Parteien, Jubel wäre aber verfrüht: Am Ende kommt es darauf an, dass der Fonds unter anderem mit gesetzlich fixierten Einnahmen Sanierung sowie Aus- und Neubau der Schieneninfrastruktur garantiert. Wir warnen eindringlich vor einer Lösung, die vom politischen Spiel der Parteien abhängig macht, ob Geld für Straßen- oder Schieneninfrastruktur ausgegeben wird. Ein eigener Fonds für Schieneninfrastruktur ist die beste Lösung.“
3. Trassenpreissystem reformieren
Eine Reform des derzeitigen Trassenpreissystems stößt bei keiner der Parteien auf explizite Ablehnung. SPD, Grüne, Linke und das BSW haben sogar explizit eine Reform des Systems im Wahlprogramm festgehalten. CDU-Verkehrspolitiker Michael Donth bestätigt ebenfalls, dass es eine grundlegende Reform des Trassenpreissystems braucht, wenngleich der Punkt im Wahlprogramm der Union fehlt.
Wesseln: „Über Parteigrenzen hinweg scheint der Handlungsdruck beim Trassenpreissystem verstanden worden zu sein. Sobald sich nach der Wahl eine Koalition gebildet hat, muss der bereits gestartete Prozess zur Reform zügig abgeschlossen werden – die Unternehmen brauchen im Austausch mit ihren Kunden Fakten, keine Absichtserklärungen.“
Zu den Dokumenten:
Sie finden in dieser Pressemitteilung einerseits unsere „Wahlprogrammanalyse“, andererseits unser „Wahlmosaik“. Die Wahlprogrammanalyse bezieht sich klassisch auf die Wahlprogramme der Parteien, die inzwischen verabschiedet und veröffentlicht wurden und geht auf 22 spezifische Punkte ein, die für den Schienengüterverkehr in der kommenden Legislaturperiode höchste Relevanz haben.
Das sogenannte „Wahlmosaik“ hingegen zeigt Antworten, die zu 20 spezifischen Fragen, die DIE GÜTERBAHNEN formuliert haben, gegeben wurden (alle Antworten im Detail hier). Wahlprogramme können aufschlussreich sein, allerdings kann eine Nicht-Erwähnung beispielsweise nicht mit Ablehnung verwechselt werden. Um hier stärkere Klarheit zu erlangen, wurden zusätzlich Fragen formuliert, die von den Parteien oder deren Fachpolitikern (stellt ausdrücklich keinen Parteibeschluss dar) beantwortet wurden. Die FDP und das BSW wurden natürlich ebenfalls zur Beantwortung der 20 Punkte angefragt, haben dies aber abgelehnt.
+++ Nachtrag 11. Februar 2025: Wir haben das Originaldokument der Wahlprogrammanalyse am 11. Februar 2025 ausgetauscht, da uns ein Übertragungsfehler unterlaufen ist. Im ursprünglichen Dokument hatten wir die Position des BSW zum Abbau klimaschädlicher Subventionen und Emissionshandel fälschlicherweise mit einem grünen Smiley dargestellt. +++
Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V./DIE GÜTERBAHNEN gibt keine Wahlempfehlung ab. Die Analyse stellt in erster Linie einen Service für Interessierte, aber auch die Grundlage für ein kontinuierliches Politikmonitoring nach der Bundestagswahl dar.
Die finale Bewertung erfolgte anhand expliziter Textpassagen der entsprechenden Wahlprogramme bzw. Antworten der spezifischen Fragen durch das Team der NEE-Geschäftsstelle. Bei Bedarf können spezifische Auskünfte über die Bewertung gegeben werden.