Dem in Berlin vorgestellten Koalitionsvertrag zufolge will die Ampel-Koalition „Mehr Fortschritt wagen“. In der Verkehrspolitik fallen der Bedeutungszuwachs der Schiene und die Vielzahl an-gekündigter Maßnahmen positiv auf. Hier ist die Handschrift von Bündnis 90/Die Grünen erkennbar. Sowohl konzeptionelle Lücken als auch äußerst sparsam benannte Kennzahlen und Zeithorizonte deuten allerdings auf ungeklärte Konflikte hin. Dass mit dem Verkehrs- und dem Finanzminister zwei Spitzenrepräsentanten der FDP für die Umsetzung hauptverantwortlich sein werden, könnte noch große Bedeutung für den Zusammenhalt in der Koalition erlangen.
Berlin, 25. November 2021
Ludolf Kerkeling, Chef des Güterbahnen-Verbandes NEE, zeigte sich in Berlin nach gründlicher Lektüre hin- und hergerissen: „Sie müssen es nicht unbedingt Verkehrswende nennen. Den Begriff hat die Ampel im Vertrag auch konsequent vermieden. Allerdings muss die Politik konsequente Anreize setzen, wenn sie den heutigen Güterverkehr klimafreundlich und ressourcenschonend umgestalten und dabei bezahlbar halten will. Die erkenne ich noch nicht, dafür aber leider viele interpretierbare Ankündigungen. Die Unsicherheiten müssen so schnell wie möglich klima- und damit schienenfreundlich beseitigt werden. Im Jahr 2030 muss im Verkehr der CO2-Ausstoß um die Hälfte oder 80 Millionen Tonnen niedriger liegen als 2019. Aus dem Lkw-Verkehr stammt bisher schon fast ein Drittel dieser Emissionen und der Vertrag gibt nicht her, dass sich das schnell ändert.“
Der Verband der Güterbahnen zeigte sich beispielsweise enttäuscht, dass neben einer nicht bezifferten Erhöhung der Investitionen in die Schieneninfrastruktur offenbar der Autobahnneubau ebenfalls weitergehen soll. Kerkeling: „Das zieht Verkehr von der Schiene ab. Auch bei den ökonomischen Rahmenbedingungen für Straße und Schiene soll sich fast nichts bewegen.“ Kostenentlastung bei Trassenpreisen steht unter Haushaltsvorbehalt, zu den Energiekosten der Schiene gibt es überhaupt keine Aussage. Der Abbau des Dieselsteuerprivilegs soll nur „geprüft“ werden. Die Erhebung der Lkw-Maut auch auf Landes- und Kommunalstraßen ist erneut nicht beschlossen worden. Anstelle der CO2-Abgabe soll es für Lkw einen nicht bezifferten „CO2-Zuschlag“ geben, den die Koalition „für Mobilität einsetzen“ will. Kerkeling: „Das reicht nicht, um einen gewerblichen Verlader zu Überlegungen zu bringen, ob er künftig auf der Schiene transportieren kann.“
Die eisenbahnpolitischen Vorhaben des Koalitionsvertrages begrüßte Kerkeling und wies vor allem auf die angekündigte Ziel- und Strukturreform bei den Infrastrukturgesellschaften der DB hin. Allerdings müsse der Widerspruch im Koalitionsvertrag, die neue Gesellschaft künftig „gemeinwohlorientiert“ betreiben zu wollen und zugleich dort wie bisher die Gewinne zu planen, schleunigst geklärt werden. Auch das geplante Programm „Schnelle Kapazitätserweiterung“, die klare Orientierung auf eine europarechtskonforme Beschleunigung von Schienenplanungen und die verpflichtende Prüfung der Schienenanbindung von Gewerbegebieten sind wichtige Initiativen.
Kerkeling lobte die Ampel-Parteien, dass sie sich den Masterplan Schienenverkehr von 2020 und sein Ziel zu eigen machten, den Anteil der Schiene im Güterverkehr bis 2030 von heute 18 auf 25 Prozent zu steigern: „Allerdings treibt uns die Sorge um, dass wie in den Vorjahren auf schienenfreundliche Ankündigungen eine Vollzugsflaute folgt. Wir erwarten daher Volldampf vom neuen Bundesverkehrsminister vom ersten Tag an und Priorität für die Schiene. Vor allem die Kapazitäts- und Qualitätsmängel im Schienennetz werden täglich dramatischer. Die Güterbahnen stehen für die Umsetzung der Verkehrswende bereit.“
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