Es war eine der gravierendsten Störungen des europäischen Eisenbahnverkehrs nach dem Zweiten Weltkrieg, die gegen 11 Uhr vormittags am 12. August 2017 begann. Ein Jahr später fällt die Zwischenbilanz zu den Folgen der 51-tägigen Streckensperrung deprimierend aus.
Es war eine der gravierendsten Störungen des europäischen Eisenbahnverkehrs nach dem Zweiten Weltkrieg, die gegen 11 Uhr vormittags am 12. August 2017 begann. Nur etwa fünf Meter unter den stark befahrenen Gleisen der Rheintalbahn kam es zum ersten von mehreren Einbrüchen von Wasser und Kies im Bereich einer Tunnelbohrmaschine. Die Strecke wurde für rund sieben Wochen vollständig für den Eisenbahnverkehr gesperrt. Hunderte von täglichen Personenzugfahrten mussten zwischen Rastatt und Baden-Baden durch Busse ersetzt werden. Für bis zu 200 Güterzüge täglich wurden nach einem ersten Schock Umleitungsstrecken gesucht - und in vielen Fällen nicht gefunden. Potenzielle Strecken waren entweder wegen Bauarbeiten gesperrt oder konnten – etwa mangels Bahnstrom-Oberleitung, zu kurzer Überholgleise, fehlender Lichtraumprofile oder schlicht wegen der Anforderungen an Sprach- und Streckenkenntnis der Lokführer – trotz freier Kapazitäten faktisch nicht befahren werden. In der Folgewoche entschieden sich die Baufirmen zunächst zu einer Teilverfüllung der beschädigten Röhre mit Tausenden Kubikmetern Beton sowie einer besonders aufwändigen und umstrittenen Sicherung des Gleisuntergrundes durch eine riesige Betonplatte.
Fakt ist: Weder die Bauunternehmen noch die DB Netz als Bauherrin waren auf diese Beschädigung der Hauptschlagader des europäischen Schienengüterverkehrs vorbereitet. Im August und September 2017 konnte nur durch viel Improvisation und Überstunden ein Teil des Schienengüterverkehrs auf der Nord-Süd-Achse aufrecht erhalten werden.
Eine Zwischenbilanz zu den Folgen der 51-tägigen Streckensperrung ist deprimierend. Die Ursachen der Havarie sind weiterhin ungeklärt, die finanziellen Folgeregelungen offen, die Inbetriebnahme ungewiss und vor allem sind nur unzureichende Lehren zur Verhinderung oder mindestens Minimierung großer Havarien auf den Weg gebracht worden:
Schwerwiegend ist der Vertrauensverlust in den Schienengüterverkehr. Die Industrie musste während der Sperrung auf Schiff und Lkw ausweichen. Nicht alle dieser Verkehre sind auf die Schiene zurückgekehrt. Die Studie stellt fest, dass der im Korridor Rhine-Alpine festgestellte Wachstumstrend im Schienengüterverkehr im August 2017 zunächst jäh unterbrochen wurde.
Die Havarie hat auch das ohnehin stark verzögerte Vorhaben, die Rheintalbahn von Karlsruhe bis Basel vollständig viergleisig auszubauen, weiter gebremst. Schon vor 20 Jahren hätte der Bau des gut vier Kilometer langen Tunnels begonnen werden können. Dies unterblieb aus Geldmangel bis 2013. Nun wird die Havarie die Inbetriebnahme der beiden zusätzlichen Gleise um weitere Jahre zurückwerfen - die Angaben der DB Netz schwanken zwischen zwei und fünf Jahren. Warum nicht wenigstens die etwas später begonnene und unbeschädigt gebliebene Weströhre des zweiteiligen Rastatter Tunnels planmäßig zu Ende gebaut und früher als die noch mit Beton verstopfte und unfertige Oströhre in Betrieb genommen werden kann, haben die DB und der Bund als Finanzier bisher nicht erklärt.
Die Bundespolitik tauchte während der Havarie ab. Das Bundesverkehrsministerium äußerte sich nicht von sich aus und reagierte nicht auf zwei Offene Briefe des Netzwerks und über 20 weiterer internationaler Organisationen. Der Verkehrsausschuss des Bundestages ließ sich im September 2017 kurz über die Havarie unterrichten. Im neu gewählten Bundestag zeigen nur FDP und Grüne wirkliches Interesse an einer Aufklärung der Rastatter Hintergründe. Dabei sind die Erkenntnisse nicht nur für die Verkehrssicherheit sondern auch für andere Tunnelbauvorhaben relevant.
Das Netzwerk fordert eine transparente Aufarbeitung der Ursachen, eine schnellere Regulierung der Schäden, die sofortige Umsetzung der Vorschläge des Contingency Handbooks und eine Beschleunigung des Schienennetzausbaus sowohl an der Umfahrung von Rastatt als auch im weiteren Verlauf der Rheintalbahn sowie auf den links und rechts des Rheins liegenden potenziellen Umleitungsstrecken. Diese werden nicht nur für den Havariefall, sondern auch für Bau- und Instandhaltungsarbeiten und bei wachsender Verkehrsmenge benötigt. Die Erkenntnisse aus „Rastatt“ müssen auch auf andere Engpässe im Schienennetz angewandt werden.