Stellungnahme des NEE zum „Grünbuchs Energieeffizienz“ gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir möchten als Verband der Wettbewerbsbahnen im Schienengüterverkehr die Gelegenheit nutzen, Stellung zum Entwurf des „Grünbuchs Energieeffizienz“ zu nehmen und begrüßen es, dass diese Option ermöglicht wurde. Mit der Veröffentlichung der Stellungnahme auf der Internet-Seite des Ministeriums sind wir einverstanden.
Die Zielsetzung der Bundesregierung, die Energieeffizienz in allen Bereichen des täglichen Lebens zu steigern, begrüßen wir. Im Verkehrssektor, als mittlerweile größtem einzelnen Endenergieverbraucher, gibt es heute noch in großem Umfang ungenutzte Potenziale zur Erhöhung der Primärenergieeffizienz, etwa bei den vergleichsweise schlechten Wirkungsgraden von Verbrennungsmotoren und Turbinen, aber auch im Bereich der konventionellen Stromerzeugung.
Die Effizienz vieler Transporte und Technologien wurde in den vergangenen Jahrzehnten durchaus gesteigert, das Verkehrswachstum sowie weitere Effekte (höhere Sicherheitsanforderungen, steigende Geschwindigkeiten, etc.) haben jedoch diese Effekte in weiten Teilen der Verkehrswirtschaft überkompensiert. Nicht zuletzt, weil Transport außerordentlich energieintensiv ist, teilweise deutlich stärker als andere Branchen über deren Belastung durch steigende Energiekosten im politischen Raum intensiv diskutiert wird, rückt der Verkehrssektor immer stärker in den Fokus von Zielen und Strategien zur Effizienzsteigerung und Dekarbonisierung.
Im Schienenverkehr mit seinem sehr hohen Anteil an elektrischer Traktion – die Verkehrsleistung wird schon heute zu über 90 Prozent elektrisch erbracht – ist bereits eine Effizienz im Fahrzeug bzw. auf der Strecke erreicht worden, die dem Wirkungsgrad im Land- und Luftverkehr weit voraus ist. Hierbei spielt neben einer Verbesserung der Auslastung, die Rückspeisung von Bremsenergie bei elektrischen Triebfahrzeugen und zahlreicher weiterer Energiesparmaßnahmen auch der steigende Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung eine bedeutende Rolle.
Aus diesem Grund ist auch künftig neben der Vermeidung von Energieverbrauch die Verlagerung von Verkehren vor allem von der Straße (und vom Luftverkehr) auf den Schienenverkehr eine höchst effiziente Strategie zur Steigerung der Energieeffizienz. Diese Strategie ermöglicht darüber hinaus weitaus schneller den Einsatz von Strom, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde, als im straßengebundenen Verkehr und würde damit auch die von der Bundesregierung angestrebte Sektorkopplung beschleunigen.
Vor allem in mittelfristiger Perspektive sind die schon weitgehend ausgereiften elektrischen Antriebe im Schienenverkehr eine Grundlage für höchste Energieeffizienz, wenn zugleich die Streckenelektrifizierung fortgeführt und die Stromerzeugung – nicht nur – im Bahnsektor kontinuierlich höhere Anteile erneuerbarer Energien aufweist.
Auch langfristig wird der Schienenverkehr energetisch einem – möglicherweise – elektrifizierten Straßenverkehr voraus bleiben, weil systematische Unterschiede, insbesondere die geringeren Rollreibungs- und Luftwiderstände, selbst bei einem vollständigen Austausch des Antriebsstrangs im Kraftfahrzeug bestehen bleiben. Die Kombination von Gummi auf Beton/Asphalt sowie die auch bei elektronischer Führung erforderlichen Mindestabstände sowie die notwendige Geschwindigkeitsflexibilität im gemischten Verkehr von Lkw und Pkw verhindern dauerhaft ähnlich gute Effizienzwerte, wie sie der Schienenverkehr heute bereits erreicht.
Wir stellen fest, dass die Verkehrsmittelwahl im Güterverkehr maßgeblich durch den Transportpreis und nur in sehr nachgeordnetem Maß durch Transportgeschwindigkeit, Qualität und umweltbezogene Effekte beeinflusst wird. Bei der Preisbildung spielen Energieeffizienz und Energiekosten eine große Rolle. Die Anteile der Energie- an den Gesamtkosten differieren – unter Berücksichtigung der gegenwärtigen, nicht identischen, Güterstruktur –zwischen Schienenverkehr und Straßenverkehr nicht zuletzt auf Grund der hohen Energieeffizienz der Schiene deutlich. Während sie im Schienenverkehr in einem Bereich von ca. 15 Prozent (mit einer Streuung zwischen 12 und 20 Prozent) liegen, gibt der Bundesverband für Güterkraftverkehr und Logistik (BGL) aktuell den Anteil für den nationalen Straßengüterfernverkehr mit rd. 26 Prozent an.
Betrachtet man die Entwicklung der vergangenen Jahre, so ist die zugrundeliegende Kostenentwicklung bei den beiden bedeutendsten Endenergieträgern durch einen kontinuierlichen Kostenanstieg beim Strom (durch die klimaschutzbezogenen Abgaben und steigende Netznutzungsentgelte, die nur partiell durch sinkende Strombeschaffungspreise teilkompensiert wurden) und eine Dauerniedrigphase seit Anfang 2013 beim Diesel, wo das Kostenniveau zunächst binnen eines halben Jahres um 40 Prozent gesunken war, gekennzeichnet.
Diese Entwicklung („Schere“) hat zusammen mit einer ebenfalls auseinander driftenden Entwicklung der Nutzerkosten für die Infrastruktur immer wieder Ladungsverluste bei der Schiene zu Gunsten des Straßengüterverkehrs und insgesamt eine Stagnation des Marktanteils des Schienengüterverkehrs zur Folge.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die derzeitige Energiekostensituation den weniger energieeffizienten Verkehrsträger Straße im Güterverkehr relativ begünstigt und damit wenig Anreize gibt, den nach der Vermeidung zweitgrößten Hebel zur Steigerung der Energieeffizienz im Verkehrssektor, die Verlagerung, zu stärken.
Zur Leitfrage des Grünbuchs, wie das Prinzip Efficiency First in allen Sektoren systematisch angewandt werden kann und zur Leitfrage, mit welchen Instrumenten frühzeitig Investitionen angestoßen werden können, sehen wir mit Blick auf die abschließende Darstellung der verschiedenen Instrumente auf den Seiten 18 und 19 die unter dem Begriff der „Preissteuerung“ zusammenzufassenden Maßnahmen im Verkehrssektor als mit Abstand am wirksamsten an - vor dem Ordnungsrecht und der Innovationsförderung. Dies gilt auch und insbesondere für den Straßengüterverkehr, denn die notwendige Elektrifizierung der Antriebe von Straßenfahrzeugen, um gemäß These 8 die Dekarbonisierung der Sektoren „Privathaushalte, GHD, Industrie und Verkehr“ durch den Einsatz von Strom aus CO²-freien, erneuerbaren Quellen voran zu bringen, benötigt einen fiskalischen Rahmen, der ohne dauerhafte staatliche Subventionierung die Effizienz- und Energieträgerziele erreicht. Nur in einem betriebswirtschaftlich tragfähigen Umfeld, in dem sich Elektroantriebe auf der Straße auch kostenmäßig deutlich positiv vom Dieselantrieb abheben, und nicht etwa durch punktuelle (Forschungs- oder Markteinführungs-)Anreize kann eine schnelle und dauerhafte Marktdurchdringung gelingen. Hinzu kommt, dass auch Rebound-Effekte bei Preissteuerungsmaßnahmen vermutlich am geringsten ausfallen.
Der „effiziente“ Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien im Verkehrssektor ist vor allem in leitungsgebundenen und rückspeisefähigen Systemen ohne zusätzlichen Aufwand für (transportable) Speicher und ohne Umwandlungsschritte über andere Endenergieträger gegeben. Im Grünbuch wird in diesem Kontext lediglich von „Elektrofahrzeugen“ als Anwendungsfall gesprochen. Sofern hiermit auch Schienenfahrzeuge gemeint wären, ist dieser These zuzustimmen, sollten damit jedoch lediglich elektrisch angetriebene Pkw gemeint sein, dann würde eine entsprechende Strategie in der Tat nur einen kleinen Teil des gesamten Energieverbrauchs im Verkehrssektor umfassen, in dem im Übrigen aktuell auch keine oder nur geringe Zunahmen von Energieverbräuchen zu verzeichnen sind - wobei natürlich zu berücksichtigen ist, dass diese im internationalen Vergleich auf einem sehr hohen Niveau liegen. Es wird unsererseits eine explizit gesamthafte Betrachtung des Begriffs der „Elektromobilität“ an Stelle einer sektoralen, auf den straßengebundenen Landverkehr verengten Sichtweise angeregt.
Zur angesprochenen Einschätzung, dass der Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien auch zur Glättung der unterschiedlichen Erzeugungs- und Verbrauchsentwicklung beitragen kann, bezweifeln wir, dass im Verkehr generell, und speziell im Güterverkehr, nennenswerte und wirtschaftliche Potenziale zur Zwischenspeicherung bestehen. Der Bedarf im Güterverkehr ist bezogen auf Tages-, Wochen- und Jahresgänge vergleichsweise gut abschätzbar und wenig durch wirtschaftliche Anreizsetzung oder Ordnungsrecht beeinflussbar. Speichermedien in Fahrzeugen erhöhen die Totlast und mindern die Nutzlast, was sich im Unterschied zu ortsfesten Speichern doppelt negativ auf die Energieeffizienz auswirkt. Insofern werden betrieblich notwendige Zwischenspeicher für elektrische Antriebe immer auf das mindestmögliche Niveau dimensioniert sein, was wiederum das Potenzial zur Zwischenspeicherung für antriebsfremde Zwecke begrenzt. Ziel der Energieeffizienzstrategie kann es auch nicht sein, umgekehrt in Fahrzeugen zu transportierende Stromspeicher zu incentivieren.
Die wesentliche Stellschraube zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen zwischen erneuerbarem Strom und fossilen Brennstoffen im Verkehrssektor ist zweifellos die angemessene und flexible, d.h. an die Erreichung von Zielen gekoppelte Bepreisung der Energieträger jenseits der eigentlichen Produkt-/Herstellkosten. Vor dem Hintergrund der starken internationalen Verflechtung im Landverkehr kommt als Akteur unseres Erachtens vor allem die EU (z. B. durch eine auch hierzulande bereits diskutierte Änderung der Energiesteuerrichtlinie), aber auch der nationale Gesetzgeber in Frage. Je früher und langfristig berechenbarer differenzierende Abgabenlösungen angelegt sind, desto besser können sich die Akteure (Verlader, Transporteure, öffentliche Hand) darauf einstellen und ihre Planung anpassen.
Zustimmen können wir dementsprechend der Grundaussage des Papiers, dass „das Instrumentarium der Energieeffizienzpolitik daher stärker mit Preisentwicklungen „atmen“ können und darüber hinaus hinreichend Elemente beinhalten (sollte), die unabhängig vom Preisniveau wirken.“
Dabei sind jedoch nicht nur die „Auswirkungen auf das Steueraufkommen zu berücksichtigen“ sondern auch die Mittelverwendung im Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz zu prüfen. Aus unserer Sicht spricht viel dafür, zusätzliche Einnahmen nicht ausschließlich oder nicht einmal in erster Linie „zur Unterstützung von Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende, insb. im Bereich Energieeffizienz“ einzusetzen. Die im Verhältnis zum Faktor Arbeit mäßige Abgabenbelastung von Energieverbräuchen sowie allgemein anerkannter Bedarf in einzelnen Politikfeldern wie Bildung, Alterssicherung sowie die Bewältigung von sozialen Verwerfungen von steigenden Energiekosten könnten ebenfalls sinnvolle Einsatzfelder für zusätzlich erhobene Mittel sein und zugleich die veränderte Abgabenarchitektur dauerhaft stabilisieren Abgabenbelastung des Faktors Arbeit gezielt zu entlasten.
Unter den im Grünbuch genannten Instrumenten scheint die Einführung einer zusätzlichen (CO²-)Steuer im Verkehrsbereich systematisch weniger geeignet als eine Anpassung vorhandener Steuersätze. Lediglich im Falle einer mangels europäischer Unterstützung (zunächst) rein nationale Ausgestaltung eines Pfades zur Steigerung der Energieeffizienz könnte diesem Instrument – ebenso wie Bonus-Malus-Systemen – einen Vorzug gegenüber der Änderung der derzeitigen Steuertatbestände über den Rahmen der EU-Energiesteuerrichtlinie EU/2003/96 verschaffen.
Ein spezielles „Energieeffizienzgesetz“ scheint uns vor diesem Hintergrund im Verkehrssektor nur geringe zusätzliche Vorteile zu bringen und immer in der Gefahr zu sein, vorwiegend appellativen Charakter zu haben.
Für Rückfragen stehen wir zur Verfügung
Mit freundlichen Grüßen
Peter Westenberger
Geschäftsführer