Vom 01. August 2025 bis 01. Mai 2026 soll die Schienenstrecke von Hamburg nach Berlin wieder einmal wegen Bauarbeiten voll gesperrt werden – wie bereits 2021 und 2024. Zusammen mit mittelbar betroffenen Strecken nimmt die DB InfraGO 384 Kilometer des Schienennetzes außer Betrieb. Die größte der so genannten “Korridorsanierungen” steht als zu lang, zu teuer und zu schlecht vorbereitet in der Kritik.
Wenige Tage vor der erneuten und nun neunmonatigen Vollsperrung der Strecke Hamburg–Berlin – sowohl für Reisende als auch für den Güterverkehr – hat die Deutsche Bahn ihre Vorgehensweise immer noch nicht plausibel erklärt. Wenngleich saniert wer-den muss, stellt sich für DIE GÜTERBAHNEN immer mehr die Frage: Sind die Einschränkungen verhältnismäßig? Peter Westenberger, Geschäftsführer der GÜTERBAHNEN, erklärt: „Das ist der größte Schienen-Shutdown, den dieses Land je sah. Er beschert Reisenden und der verladenden Wirtschaft massive Zeitverluste und Multimillionenschäden.”

Während Reisende im Nahverkehr im betroffenen riesigen Gebiet zwischen Hamburg, Schwerin und Berlin teils ultralange Busfahrten machen müssen und ein Teil des Fernverkehrs ersatzlos entfällt, soll der vor allem für den Hamburger Hafen essenzielle Schienengüterverkehr lange Umwege fahren. Für DIE GÜTERBAHNEN steht im Raum, dass die mehrfach eingedampften Baumaßnahmen schneller, z. B. in den zunächst geplanten fünf Monaten Sperrzeit, erledigt werden könnten. Westenberger: “Alles spricht dafür, vor allem aber, dass die InfraGO seit Monaten den Bauablaufplan nicht teilen will und auf präzise Nachfragen nur schablonenhafte Pseudoantworten gibt.” Verladende und transportierende Wirtschaft wollen von den Verantwortlichen für die Schieneninfrastrukturkrise wenigstens jetzt ernst genommen werden. “Was wäre los, würde die Flugsicherung für neun Monate den Luftraum zwischen den Bankenmetropolen London und Frankfurt zwecks Sanierung einer Rollbahn und eines Towers schließen – und niemand bekäme Antworten zum Zeitplan oder dürfte zumutbare Alternativen und Entschädigungen verlangen. Um es plastisch zu machen: Nur eines unserer Mitgliedsunternehmen rechnet in der ersten Woche mit 50.000 Euro höheren Betriebskosten durch die Umleiter.“
Der Verband fordert den Bundesverkehrsminister auf, den von den Ländern geforderten leistungsfähigen, unabhängigen Projektbeirat sofort zu etablieren, um das Projekt unabhängig zu begleiten und die Sperrungen auf das Nötigste zu beschränken. „Dass die DB bei einem Großprojekt wie diesem mit 2,2 Milliarden Euro Budget weitgehend autark und frei von Kontrolle handelt, muss beendet werden.“

Die „Regelumleiter“ für Hamburg-Berlin sind mit zusätzlichen Wegenstrecken zwischen 105 und 195 Kilometern deutlich länger als beim Riedbahn-Piloten (10 bis 20 Kilometer). Deshalb hatten DIE GÜTERBAHNEN Hamburg–Berlin als die eigentliche Nagelprobe des Vollsperrungs-Konzepts bezeichnet. Die DB hat nicht bestanden. So sollen im Frühjahr wegen der parallelen Sperrung von Umleiterstrecken sieben Wochen lang 30 Güterzüge täglich zwischen Hamburg und Tschechien über Köln, das Mittelrheintal, Frankfurt, Leipzig und Polen umgeleitet werden. Westenberger: “Das sind absurde Wege und die Züge müssen zusätzlich mehrere hochbelastete Knoten durchfahren. Hier wie auch bei den Planungen für die beiden 2026er-Korridore von Nürnberg bis Passau kann die DB InfraGO keine akzeptablen Umleiter anbieten und will auch die Mehrkosten nicht übernehmen. Das muss nach der vom Verkehrsministerium angekündigten Überprüfung der Korridorsanierungs-Konzeption ein Ende haben.”
Weitere Ungereimtheiten müssen geklärt werden. Der Kostenrahmen mit 2,2 Milliarden Euro ist von Beginn an unverändert. Von den schon 2020 vorgestellten Maßnahmen zur Erhöhung der Kapazität und Resilienz der Strecke wie auch von den DB-seitig versprochenen modernen “Layoutstandards” soll nach den Recherchen der GÜTERBAHNEN vieles offensichtlich während der Sperre nicht realisiert werden – ETCS ist nur das auffälligste Element. Westenberger abschließend: “Da ist es schon bemerkenswert, dass die DB in Ludwigslust und Schwerin am Freitag die Einstellung des Zugverkehrs mit großem Pomp feiern will.”