DIE GÜTERBAHNEN luden soeben zur vierten Bestandsaufnahme über die Korridorsanierungen der Deutschen Bahn ein. Hochbelastete Teile des Schienennetzes sollen mit Hilfe längerer Vollsperrungen saniert und modernisiert werden. Das Fazit fällt trotz bisher erfolgreichem Verlauf auf dem ersten Korridor, der Riedbahn, kritischer aus als noch im Sommer. Der Verband forderte die DB zu verlässlicherer und kundenorientierter Planung auf und mahnte den Bund, seine Milliardenzusagen für die Schieneninfrastruktur auch in der Haushaltskrise nicht zu brechen.
Während der größte Schienennetzbetreiber in Deutschland, die DB InfraGO, seit dem 15. Juli einen 70 Kilometer langen Korridor auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim saniert, stellt der fehlende Bundeshaushalt 2025 und eine wahrscheinlich vorläufige Haushaltsführung sicher geglaubte Sanierungsmittel in Frage. DIE GÜTERBAHNEN ordneten in ihrer heutigen, nunmehr vierten Statusanalyse zu den Korridorsanierungen den Erfolg auf der Riedbahn weniger euphorisch ein als die DB: „Auf der Riedbahn findet „Bauen unter Laborbedingungen“ statt. Man hatte diesen Korridor nicht allein wegen seiner verkehrlichen Bedeutung als Auftakt gewählt. Auch die Bedingungen für die Umleitungen des Güter- und Personenfernverkehrs sind hier nahezu perfekt. Zusammen mit Vorarbeiten, beschränktem Maßnahmenumfang und kaum beschränkten Ressourcen gelingt der für Verkehrsminister und DB-Vorstand bedeutsame Korridor. Diese Prämissen gelten jedoch für fast keinen der 40 Korridore, die noch folgen sollen“, sagte Peter Westenberger, Geschäftsführer der GÜTERBAHNEN, bei einem Pressegespräch in Frankfurt am Main.
Die Weiterführung des Konzepts mit zwei Korridoren im kommenden und fünf Korridoren im übernächsten Jahr wird jedoch durch die Haushaltskrise des Bundes in Frage gestellt: Das Ende der Ampel gefährdet die Finanzierung und in einigen Fällen auch die bevorstehende Vergabe von Bau- und Planungsleistungen. Bisher schleppend verhandelte Vereinbarungen zwischen Bund und DB führen angesichts des nun fehlenden Bundeshaushalts 2025 zu erheblichen Unsicherheiten, ob die DB jetzt die nötigen Riesenaufträge vergeben kann und die nötigen Mittel dafür vom Bund bekommt. Westenberger: „Die bisher besprochene Finanzierung der Infrastruktur bis 2027 steht auf wackeligen Beinen. Bei den Parteien herrscht Einigkeit über einen mehrjährigen Infrastrukturfonds, wir sehen also nicht, wieso ein solches Vorhaben nicht noch vor den Neuwahlen konzeptionell seitens des Verkehrsministers angegangen werden sollte.“
Im ungünstigsten Fall droht wegen der zu kurzen Vorlaufzeit und der Größe des Vorhabens bei der übernächsten Vollsperrung, der fast 300 Kilometer langen Strecke zwischen Hamburg und Berlin, eine Kostenexplosion wie bei der Riedbahn. Die Bauaufträge sind noch nicht vergeben. Gerüchte machen die Runde, dass sich ähnlich wie bei der Riedbahn wegen der Größe nur wenige Unternehmen beworben haben – das führt in der Regel nicht zu niedrigen Preisen. DIE GÜTERBAHNEN fordern die DB auf, ihr Kostenziel von 2,2 Milliarden Euro nicht zu reißen – gleichzeitig aber bei dieser langwierigen Sperrung den Leistungsumfang nicht willkürlich zu reduzieren. „Lieber sollte das Vorhaben geteilt werden, bevor die DB aus reiner Gesichtswahrung knappe Bundesmittel entgegen den Warnungen aus der Branche mit vollen Händen ausgibt und trotzdem zu lange sperrt. Bei einem 2,2-Milliarden-Budget darf sich die Riedbahn-Kostensteigerung von 160 Prozent nicht wiederholen.”
Zuletzt hat die DB zudem zwei schwerwiegende Planänderungen bekanntgegeben, die den Eindruck eines sehr chaotischen Planungsprozesses bei der DB selbst und beim Bund verstärken:
1. Entgegen öffentlicher Schwüre des Bundesverkehrsministers und der DB beim Schienengipfel 2023 in Frankfurt wurde die Korridorplanung ab 2026 noch einmal massiv umgestellt:
Zahlreiche zeitliche Korridorplanungen wurden ohne genaue Angabe von Gründen – vermutlich sind Schwierigkeiten bei Planung und Bauplanung die Ursache – verlegt. Seit neuestem gibt die DB InfraGO für die Jahre ab 2029 keine konkrete Planung mehr für die dann noch anstehenden 19 Korridore an. Westenberger: „Das geht vor allem zu Lasten der Eisenbahnkunden und der Bauwirtschaft, die keine langfristigen Planungen mehr für bare Münze nehmen können. In Verhandlungen dürften Aufträge bei dieser Sachlage häufiger an Lkw-Speditionen fallen.“
2. Viele 2022 als Standard angekündigte und mit den Eisenbahnunternehmen abgestimmte qualitäts- oder kapazitätsverbessernde Maßnahmen werden nicht standardmäßig realisiert:
Diese Art von Maßnahmen auf allen vollgesperrten Korridoren mit zu erledigen, war eines der drei zentralen Versprechen der Korridorsanierungen, die für DIE GÜTERBAHNEN zur Unterstützung des neuen Sanierungskonzepts führten – geringere Störeffekte durch zeitliche Bündelung von Maßnahmen und längere Baufreiheit gehörten ebenfalls dazu. Doch immer wieder werden zugesagte Maßnahmen wieder revidiert. „Wo zuvor mal von acht und gar zehn Jahren Baufreiheit nach erfolgreicher Korridorsperrung die Rede war, liegen wir inzwischen bei „über fünf“. Es sollten Strecken eigentlich nur fünf Monate gesperrt werden, bei Hamburg-Berlin sollten es dann schon neun Monate sein. Neuer Spitzenreiter ist Berlin – Lehrte (bei Hannover), nunmehr schon die dritte Strecke, die zweifach voll gesperrt werden und eine Gesamtsperrdauer von 12 Monaten erreichen soll. Der verblüfften Branche wurde das Gros der Änderungen am 28. Oktober mitgeteilt. Bei unseren Mitgliedern schwindet langsam das Vertrauen, dass dieses große Programm mit 41 Korridoren zu dem Erfolg wird, zu dem es DB und Politik während der Riedbahn-Sperrung gerade hochjazzen.“
Die Branche hatte sich beim übernächsten Korridor, wenn die Strecke zwischen den beiden größten deutschen Städten Hamburg und Berlin 2025 und 2026 für insgesamt neun Monate voll gesperrt werden soll, schon auf intensive Diskussionen des Umleiterkonzepts vorbereitet. Die Unternehmen sollen massive Umleitungsstrecken von bis zu 195 Kilometern in Kauf nehmen und damit verbundene Kosten allein tragen. „Das ist ein starkes Pfund, wenn man bedenkt, dass die Schiene im Hafenhinterlandverkehr parallel zur A 24 Richtung Berlin lange stark gewachsen ist. Das Umleiterkonzept ist aber bis heute nicht mit den Güterbahnen abgestimmt – im schlimmsten Fall funktioniert das Konzept so schlecht, dass sich eine ernsthafte Krise entwickelt“, so Westenberger.
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