Die Güterbahnen haben in der Debatte um die Nachbesserung des Bundes-Klimaschutzgesetzes Maßnahmenvorschläge an die Politik übermittelt, die allerdings nicht aufgegriffen wurden. Alle Dokumente finden Sie hier gesammelt zum Download.
Die Güterbahnen haben in der Debatte um die Nachbesserung des Bundes-Klimaschutzgesetzes Maßnahmenvorschläge an die Politik übermittelt, die allerdings nicht aufgegriffen wurden. Alle Dokumente finden Sie hier gesammelt zum Download.
Nachfolgend das auch rechts zum Download verfügbare Dossier vom 08. Juni 2021 in der aktualisiertem Fassung vom 02. Juli 2021:
Der Schutz vor weitreichenden Folgen des vom Menschen verursachten Klimawandels setzt prioritär eine Verminderung der in die Atmosphäre abgegebenen – und sich dort anreichernden – Treibhausgase (THG) wie Kohlendioxid und Methan voraus. Ziel der internationalen Staatengemeinschaft ist es dabei, die durchschnittliche Erwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius, maximal 2,0 Grad Celsius, zu begrenzen. Eine Verdoppelung des SGV bis 2035 konnte dabei bis zu 10 Mio. t CO₂-Äquivalente (CO₂e) einsparen.
Im Nachgang des 2015 geschlossenen internationalen Pariser Klimaschutzabkommens hat die damalige Bundesregierung 2016 mit dem Klimaschutzplan 2050 Grundsätze und Ziele für Reduktionsschritte der Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2050 formuliert. Konkret war der Plan, die THG-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu vermindern. Darauf aufsetzend hat die aktuelle Bundesregierung im Jahr 2019 mit dem Klimaschutzprogramm 2030 konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele formuliert, die nach und nach gesetzlich verankert werden sollten. Zudem wurde erstmalig die Treibhausgasneutralität bis 2050 als Ziel festgehalten. Herzstück dieses Vorhabens ist das ebenfalls 2019 beschlossene Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG), welches erstmals für jeden der 6 relevanten Sektoren (Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft) gesetzlich verbindliche jährliche absolute Maximal-Emissionswerte festlegte, für deren Erreichung die jeweiligen Fachministerien zuständig sind.
Am 29. April dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluss veröffentlicht, dass Teile des Bundes-Klimaschutzgesetzes in seiner jetzigen Form nicht mit den Freiheitsrechten zukünftiger Generationen vereinbar sind, da nicht daraus hervorgeht, wie angesichts der geringen Emissionsvermeidungsziele nur für 2030 und 2050 die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten sind. Die Verfahrensweise verschiebe die Lasten der Treibhausgasminderung zu stark in die Zeit nach 2030. Daher hat das BVerfG die Bundesregierung verpflichtet, das Gesetz bis Ende 2022 so zu überarbeiten, dass ab dem Jahr 2031 ein realistisch einhaltbarer Treibhausgas-Reduktionspfad definiert wird.
Um diese Auflagen zu erfüllen, hat die Bundesregierung in den letzten beiden Arbeitswochen dieser Legislaturperiode im Juni eine Nachbesserung zu verabschieden. Konkret wurden die Klimaziele wie folgt nachgebessert (Kabinettbeschluss)::
Zu den bekannten Sektoren kommt noch der Sektor „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ (LULUCF) hinzu. Eine interessante Neuerung findet sich in §13, der vorsieht, dass „Planung, Auswahl und Durchführung von Investitionen“ das Erreichen nationaler Klimaziele berücksichtigen müssen. Bezogen auf den Bundesverkehrswegeplan müsste sich daraus eine deutliche Neupriorisierung im Verkehrswegeausbau zu Gunsten der Schiene ergeben.
Für alle Sektoren wurden außerdem die Minderungsziele für die einzelnen Jahre festgelegt. Schaut man auf die Sektorziele für den Bereich Verkehr, ist zu erkennen, dass im Entwurf ausschließlich in den Jahren 2028-2030 stärkere Ziele als bisher gefordert sind.
Damit definiert die Bundesregierung nun zwar neue, striktere Klimaziele und es steht ein Fahrplan für die Jahre ab 2031 bereit. Allerdings ist die Argumentation, dass der Umstieg auf klimafreundliche Technologien einige Jahre brauche und daher erst ab 2028 die Jahresziele verschärfbar seien, auch so lesbar, dass die heute politisch Verantwortlichen erneut die anspruchsvollen Änderungen möglichst weit von sich wegschieben wollen.
Aus Sicht des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein geeigneter Anlass, die bestehenden Defizite in der Eisenbahnpolitik des Bundes zu beseitigen und damit einen großen, verlässlichen und schnell wirkenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele auf den Weg zu bringen. Bereits wenige Tage nach dem Urteil des BVerfG hat der Verband daher in einem Positionspapier und zugehöriger PI 27 Maßnahmen vorgestellt.
Im Verkehrssektor wurden nach den Berechnungen für das KSG[1] im Jahr 2019 164,3 Mio. t CO₂e ausgestoßen. Davon entfielen mehr als 96 Prozent auf die Straßen und nur 0,5 Prozent auf den Schienenverkehr. Während etwa ein Drittel aller dem Verkehr zugeordneten THG-Emissionen aus dem Güterverkehr auf der Straße stammt, ist dieser Anteil des Schienengüterverkehrs mit nur 0,1 Prozent verschwindend gering.
Ein Blick auf die Ziele im Verkehrssektor zeigt, dass bereits nach dem „alten“ noch aktuellen Klimaschutzgesetz 55 Mio. t CO₂e im Jahr 2030 ggü. 2020 einzusparen sind. 2019 hat das BMVI einen groben Plan veröffentlicht, wie es diese Minderungsziele erreichen will. Bereits damals hatte der Verband die starke Fokussierung auf den Straßengüterverkehr kritisiert, welcher mit 17-18 Mio. t CO₂e etwa ein Drittel der Einsparungen durch neue Antriebe beitragen sollte, während der Schiene (zusammen mit dem Binnenschiff) mit 2 Mio. t CO₂e Einsparpotential deutlich weniger zugetraut wurde.
Dieser Fokus ist nicht nachvollziehbar, da trotz der seit Jahren geführten Debatten um alternative Antriebe für schwere Fern-Lkw und den damit einhergehenden unfinanzierbar hohen Subventionsfantasien in der Praxis nichts passiert ist. Von 2011 bis 2019 stiegen die jährlichen Treibhausgasemissionen des schweren Straßengüterverkehrs sogar um 10 Prozent. In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden in Deutschland über 100.000 Diesel-Lkw neu zugelassen, im letzten Quartal 2020 nur 25 elektrisch angetriebene und rund 800 – im Vergleich zum Diesel kaum klimafreundlichere - gasbetriebene Lkw. Trotz der vergleichsweise geringen Zahlen sind so in den Jahren 2021 bis 2023 Mautmindereinnahmen von mehr als 1 Mrd. Euro zu erwarten.
Selbst im Pandemiejahr wuchs der Marktanteil der Straße im Güterverkehr. Zudem ist auch der - nicht dauerhafte - „Corona-Effekt“ bei den Treibhausgasemissionen im Straßengüterverkehr geringer als vom BMVI erhofft. Das Umweltbundesamt hat bestätigt, dass der Emissionsrückgang geringer war als in der Pressekonferenz der Bundesumweltministerin zur Vorstellung der Klimabilanz 2020 am 16. März 2021 verkündet. Der pandemiebedingte Emissionsrückgang lag demnach bei höchstens 5 Prozent und nicht wie angegeben bei 10 Prozent gegenüber 2019. Dies entspricht in absoluten Zahlen einem Rückgang um maximal 2 (statt 4) Mio. t CO₂e. Eine offizielle Revision der angegebenen Werte ist seitens des UBA allerdings erst für das Frühjahr 2022 angekündigt worden.
Als Gegenvorschlag zu den straßenbezogenen Überlegungen des BMVI hatte der Verband bereits 2019 mit der kcw-Studie „Klimaeffekt der Verkehrsverlagerung im Güterverkehr“ eine Analyse vorgelegt, wie bis zu 10 Mio. t CO₂e durch eine Verdoppelung des SGVs bis 2035 eingespart werden könnten. Leider blieben diese Vorschläge damals unberücksichtigt.
Verkehrsminister Scheuer hat nun in einer Kabinettsnotiz sieben, nur schemenhaft ausformulierte, Handlungsfelder genannt (erhebliche Investitionen in den Ausbau der Schienen- und Wasserstraßeninfrastruktur, eine Priorisierung der sog. „Verkehrsprojekte Deutscher Klimapakt“, schnellerer Ausbau des ÖPNV, alternative Kraftstoffe voranbringen, mehr Digitalisierung, Einführung eines Klimabonus, steuerlicher Anreiz fürs Jobticket), mit denen er die zusätzlichen Einsparungen in Höhe von 16 Mio. t CO₂e zu erreichen gedenkt. Dabei ist unklar, wie die bereits im alten Klimaschutzgesetz vorgesehenen Einsparungen erreichbar sein sollen.
Daher hat der Verband den Bundesverkehrsminister am 20. Mai in einem Brief (zugehörige PI) die 27 Punkte umfassende NEE-Maßnahmenliste ans Herz gelegt und ihn aufgefordert, Subventionen im Straßengüterverkehr abzubauen und eine wirksame CO2-Bepreisung einzuführen, die Abgabenlast des Schienenverkehrs zu reduzieren (EEG, Stromsteuer, Emissionshandel, Netznutzungsentgelte), den Verkehrswegeplan entsprechend des neuen Klimaschutzgesetzes umzubauen und in die Kranbarkeit von Trailern zu investieren, um durch schnelle Verlagerung „low hanging fruits“ abzugreifen.
Leider bleibt im Klimaschutz Sofortprogramm 2022, welches parallel zum Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht wurde, selbst von den Ankündigung Minister Scheuers, die nur wenig Greifbares für den Schienengüterverkehr beinhalten, kaum etwas hängen. Weder die „erhebliche Investitionen in Infrastrukturausbau“, noch die „Verkehrsprojekte Deutscher Klimapakt“, noch die „Digitalisierung der Schiene“ finden sich darin wieder. Mit den 200 Mio. (von den insgesamt 8 Mrd. Euro des Sofortprogrammes) werden keine neuen Impulse gesetzt, sondern bestehende Projekte fortgeführt. Das Potential des Güterverkehrs auf der Schiene bliebe somit – erneut – ungenutzt.
Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V. – Reinhardtstraße 46, 10117 Berlin
Ansprechpartner: Hubertus Wester-Ebbinghaus, Tel.: 0151 650 792 12
[1]Unterliegt den methodischen Berechnungsvorgaben aus §5 KSG. So sind z.B. int. Flüge, Tankvorgänge im Ausland und durch Biokraftstoffe verursachte Emissionen nicht enthalten. Die geringe Emission im Schienenverkehr rührt außerdem daher, dass die Emissionen der Bahnstromerzeugung aus fossilen Energieträgern dem Sektor Energiewirtschaft zugerechnet werden.
NEE Positionspapier vom 02. Mai 2021: Mehr Schiene für die junge Generation - und nicht nur für die
NEE PI vom 03. Mai 2021: Mehr Schiene für die junge Generation
Kabinettsbeschluss vom 11. Mai 2021
NEE PI vom 09. Juni 2021: Wer zu spät auf die Schiene setzt, den bestraft der Klimawandel
NEE Schreiben vom 18. Juni 2021 an die Staatsekretäre zum KSG