Abdruck eines Schreibens, gerichtet an die Bundesminister Altmaier, Dobrindt, Gabriel, Hendricks und Dr. Schäuble sowie die Ministerpräsidenten/Bürgermeister der Länder die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag und die Parteivorsitzenden.
Sehr geehrter Herr Bundesminister Dobrindt,
neun von zehn Bürgern sehen die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ an, wenn es darum geht, Straßen, Anwohner und Umwelt von den Folgen des wachsenden Lkw-Verkehrs zu entlasten. Maßnahmen dagegen, die durch eine Erhöhung der Transport- oder Energieeffizienz des Straßengüterverkehrs eine Entlastung erreichen sollen, werden nur von einer Minderheit der Bevölkerung als wichtige Instrumente der Verkehrspolitik erachtet. Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse, die wir aus einer aktuellen repräsentativen Meinungsumfrage gewonnen haben. NEE und VPI als Verbände, die Verkehrsunternehmen und Wagenhalter des weiter wachsenden Schienengüterverkehrs jenseits der DB repräsentieren, wollten wissen, ob der in der Politik spürbare Trend zu einer Konzentration der Kräfte und Mittel auf straßenbasierte Lösungen für Verkehrs- und Umweltprobleme auch in der breiten Bevölkerung für richtig erachtet wird. Das scheint nicht der Fall zu sein.
Die von tns/Emnid erhobenen Daten legen wir Ihnen in der Anlage dieses Schreibens zusammen mit der Pressemitteilung bei. Vor dem Hintergrund dieser Umfrageergebnisse bitten wir Sie, mehr Zeit und Energie in die Schaffung von verlagerungsförderlichen Rahmenbedingungen zu investieren.
Trotz der Bereitstellung finanzieller Mittel für den Ausbau der Schieneninfrastruktur ist bisher eine spürbare Verlagerung von Verkehren von der Straße auf die Schiene ausgeblieben. Der schon totgesagte Schienengüterverkehr hat sich zwar erholt und ist im vergangenen Jahr zum erstenmal seit der Wirtschaftskrise 2008/2009 wieder geringfügig stärker gewachsen als der Verkehr auf der Straße. Der Anteil am gesamten – ständig wachsenden – Güterverkehr liegt jedoch kontinuierlich deutlich unter 20 Prozent. Und das bedeutet: Jedes Jahr ist das Wachstum auf der Straße immer deutlich größer als auf der Schiene.
Uns sorgt, dass insbesondere im Güterverkehr die Politik eine gewisse Rat- und Mutlosigkeit befallen hat, die Verkehrsverlagerung in Zukunft als politisches Leitbild ernst zu nehmen und daraus konkrete und konsistente politische Entscheidungen abzuleiten. Die vorgesehene ersatzlose Streichung des Indikators des Anteils der Schiene am gesamten Güterverkehr in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist hierfür ein Beispiel.
Der Schienenverkehr der Zukunft wird nicht vergleichbar sein mit den heutigen, einerseits sicher bewährten, aber in Teilen auch überkommenen und unwirtschaftlichen Produktionsweisen. Er wird vor allem wettbewerblicher und kundenorientierter sein. Bleiben werden aber die systemimmanenten Effizienzvorsprünge, die ein spurgeführtes, getaktetes, zugangskontrolliertes und heute schon weitgehend elektromobiles Verkehrssystem bietet, etwa beim Energieverbrauch. Gerade die Schiene ist für die Entcarbonisierung des Verkehrssektors wichtig.
Wir meinen daher, dass es sich im Sinne eines volkswirtschaftlich zukunftsfähigen Transportsystems und bei Allokation knapper Haushaltsmittel lohnt, einen Masterplan für die langfristige Entwicklung einer leistungsfähigen Schiene mit hohen Marktanteilen weit oben auf die politische Agenda zu setzen und dies in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zu verankern.
Zugleich müssen kurzfristig wirksame Maßnahmen, etwa die Senkung der Trassenpreise oder das stärkere Engagement des Bundes für die Schiene beim Beschluss des Bundesschienenwegeausbaugesetzes ergriffen werden.
Das erwarten auch die Bürger, die vor allem die Bundespolitik in der Verantwortung für die Umsetzung der Verkehrsverlagerung sehen.
Die detaillierten Ergebnisse der Befragung sind unter www.netzwerk-bahnen.de/umfrage sowie unter www.vpihamburg.de/news abrufbar.
Mit freundlichen Grüßen
Malte Lawrenz
Vorsitzender
Ludolf Kerkeling
Vorstandsvorsitzender
(Weitere Informationen zur auf die im Anschreiben hingewiesene Befragung: „Schiene oder Straße: was wollen die Bürger?“)