Eine halbe Bahnreform, Schieneninfrastrukturfinanzierung ohne Plan und Unterschlagung von Wettbewerb auf der Schiene – laut einer Analyse der GÜTERBAHNEN liefert die große Koalition mit deren Koalitionsvertrag nur unzureichende Lösungsansätze für die großen Knackpunkt-Themen der Eisenbahnbranche.
Die Verhandler:innen von Union und SPD haben einige der großen Hemmnisse im Schienenverkehr erkannt. Doch statt aus dieser Problemanalyse die richtigen Schlüsse zu ziehen, hat man sich auf Formelkompromisse und Prüfaufträge geeinigt. Eine Vision für den Güterverkehr oder Aussagen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeiten fehlen komplett. Anders als im Lkw-Bereich werden Förderprogramme im Schienengüterverkehr im Vertrag nicht einmal erwähnt. Güterbahnen sind besorgt, dass notwendige Verbesserungen durch jahrelange Diskussionen auf die lange Bank geschoben werden. Gleichzeitig stehen zusätzliche Ausgaben ohne belastbare Gegenfinanzierung im Raum – und auch mit Blick auf die verkehrspolitischen Ziele bleibt die Vereinbarung ohne konkrete Umsetzungsschritte weitgehend wirkungslos. Umso mehr Arbeit liegt daher noch vor der neuen Bundesregierung, um das verkehrspolitische Gerüst des Koalitionsvertrags positiv auszugestalten. DIE GÜTERBAHNEN haben den Koalitionsvertrag ganz genau unter die Lupe genommen:
GÜTERBAHNEN-Analyse des Koalitionsvertrags
Die drei nachfolgenden Erkenntnisse fallen dabei besonders auf:
Eine halbe Bahnreform reicht nicht aus
„Beim Anschneiden der Hochzeitstorte „Koalitionsvertrag“ hatte die SPD beim Thema Bahnreform die Hand eindeutig oben“, erklärt Neele Wesseln, Geschäftsführerin der GÜTERABHNEN. Anstatt einer Herauslösung der Infrastruktursparte aus dem DB-Konzern wie von der Union noch lautstark im Wahlkampf gefordert, enthält der Koalitionsvertrag lediglich eine Absichtserklärung zu einer „mittelfristigen, grundlegenden Bahnreform”. Weitere Entflechtung der DB InfraGO innerhalb des integrierten Konzerns und personelle Veränderungen an der DB-Spitze allein sollen Verbesserungen für die Infrastrukturqualität bringen. „Dabei braucht es anstatt einer weiteren Reform-Nullrunde mit Scheinlösungen eine Aufstellung der DB InfraGO als bundeseigene GmbH und Herauslösung dieser aus dem DB-Mutterkonzern. Nur so ist ein Wirtschaften unabhängig von den Gewinnansprüchen des Mutterkonzerns wirklich möglich“, so Wesseln. Simultan sollte ein „Bundesamt für Schieneninfrastruktur“ gegründet werden, um die entkoppelte Infrastrukturtochter bei der Umsetzung der infrastrukturellen Zielstellungen des Bundes zu begleiten.
Finanzierungsmaßnahmen ohne Plan, aber mit Straßenbias
„Die Festlegung von 150 Milliarden Euro aus dem Bundesanteil des Sondervermögens Infrastruktur für Investitionen in die deutsche Schieneninfrastruktur hört sich zunächst großzügig an, ist jedoch ohne einen konkreten Sanierungszeitplan nahezu wertlos“, so Wesselns Fazit zur im Koalitionsvertrag verankerten Finanzierungsstruktur für die Schiene. Auch beim Drei-Säulen-Finanzierungsmodell bestehend aus (1) Haushaltsmitteln, (2) Nutzerfinanzierung und (3) privatem Kapital sitzt der Teufel im Detail: Eine Nutzerfinanzierung durch eine Erhöhung der Trassenpreise verstößt gegen die im Grundgesetz verankerte Verantwortung des Bundes diese Kosten selbst zu tragen. Gekrönt werden diese finanziell planerischen Blindflüge jedoch durch die geplante Rückabwicklung des Finanzierungskreislaufs „Verkehr finanziert Verkehr“: Nach dem Vorbild der Schweiz führte die Ampel-Koalition 2023 die Verwendung von Einnahmen aus der Lkw-Maut für den Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes ein. Wesseln: „Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Wiedereinführung von „Finanzierungskreisläufen für die Verkehrsträger“ ist ein Comeback, ohne Grund zu jubeln: Die Wiedereinführung stellt nicht nur den über Jahrzehnte gepflegten Finanzierungsbias zugunsten der Straße wieder her, sondern beendet auch die Verwendung von Geldern aus der Lkw-Maut für bereits beschlossene Finanzierungsmaßnahmen für die Schiene.“ Denn: Jährlich würden der Schiene dadurch etwa fünf Milliarden Euro fehlen, wenn keine anderen Quellen erschlossen werden.
Unterschlagung von Wettbewerb auf der Schiene
„Dass „Eisenbahn” im Koalitionsvertrag gleichgesetzt wird mit der Deutschen Bahn, spiegelt sich auch im auffälligen Schweigen zur Wettbewerbspolitik wider“, ordnet Wesseln ein. Wettbewerb auf der Schiene findet im 144-seitigen Dokument überhaupt keine Erwähnung. „Eine solche Vernachlässigung der ökonomisch breit aufgestellten Schiene impliziert, dass sich die Koalitionäre der heilenden, wachstums- und innovationsfördernden Wirkung durch fairen Wettbewerb auf der Schiene nicht bewusst sind“, kritisiert Wesseln. Und das obwohl, in Ländern mit höherer Wettbewerbsintensität bei Angeboten auf der Schiene die Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis für Kunden besser ist als in Ländern, in denen (nahezu) allein die staatlich integrierten Eisenbahnunternehmen den Schienenverkehr fahren. Auch im intermodalen Wettbewerb zwischen Lkw und Güterbahnen wird der Markt als Steuerungsinstrument nicht ernstgenommen, stattdessen gibt es neue klimaschädliche Begünstigungen sowie Förderungen für E-Lkw.