Am gestrigen Montag fand der dritte Schienengipfel des Bundesverkehrsministeriums mit hochrangigen politischen Beiträgen statt - Verkehrsminister, Kanzlerin und EU-Kommissionspräsidentin waren anwesend. Aussagen, die über Absichtserklärungen und Selbstlob hinausgehen oder neu gewesen wären, fehlten allerdings.
Berlin, 18. Mai 2021
Die Güterbahnen sind enttäuscht, weil sie neue Initiativen oder eine Beschleunigung der vielen Vorhaben, die die Bundesregierung immer wieder ankündigt, erwartet haben. NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling sagte dazu nach der Veranstaltung: „Die Politik handelt zu langsam, zu zögerlich und zu unambitioniert. Lobeshymnen, wie sie auf dem Schienengipfel zu hören waren, sind einfach nicht angebracht. Seit Jahren feuert das Ministerium Papiere aus allen Rohren, denen aber kaum reale Veränderungen an den entscheidenden Punkten folgen.“ So haben beispielsweise Bund und DB schon am 2. März des vergangenen Jahres eine inhaltsgleiche Vereinbarung zur Beschleunigung der Verbindung von Berlin nach Prag bzw. Wien „mit Pomp“ (Kerkeling) der Öffentlichkeit vorgestellt, die die deutschen und tschechischen Schienennetzbetreiber aber nicht vor 2035 betriebsbereit bekommen. Dabei bleibt auch nach wie vor unklar, ob schwere Güterzüge sie überhaupt jemals nutzen können oder weiter durchs Elbtal geführt werden müssen.
„Gemessen an den Klimaschutzzielen ist das zu spät und auch das von Kommissionspräsidentin von der Leyen vorgestellte EU-Ziel für das Wachstum des Schienengüterverkehrs nach 2030 ist zu schwach“, sagte Ludolf Kerkeling bei der Mitgliederversammlung des Verbandes in Berlin.
Kerkeling: „Wir haben in der Mitgliederversammlung einige sehr konkrete Vorschläge besprochen, die sofort umsetzbar wären. Vor allem die Ausweitung der LKW-Maut auf das gesamte Straßennetz und die Kranbarkeit von Trailern. Heute kann ein großer Teil der weitverbreiteten Sattelauflieger wegen fehlender Kranbarkeit nicht im Kombinierten Verkehr im langen Hauptlauf auf der Schiene transportiert werden. Die Förderung der Nachrüstung und eine gesetzliche Vorschrift, dass die Kranbarkeit bei der Neubeschaffung obligatorisch ist, könnte mehrere Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.
Kerkeling: „Wie befürchtet, spielten solche detaillierten zusätzlichen Maßnahmen beim Schienengipfel keine Rolle, der klimapolitisch hochrelevante Schienengüterverkehr wurde insgesamt sehr stiefmütterlich abgehandelt. Das wird seiner Bedeutung für die nächsten Jahre nicht gerecht.“
In ihrem Gespräch mit dem eisenbahnpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Michael Donth, bekräftigten die NEE-Mitglieder die Notwendigkeit einer drastischen Entbürokratisierung sowie einer Weiterführung der Bahnreform. Deren Umfang ist aus Sicht der Güterbahnen durch unabhängige Experten zu umreißen, aber es ist nicht weiter hinzunehmen, dass Deutschland den Sonderweg fährt, Gewinn aus der Schieneninfrastruktur zu erzielen. Das Argument gegen die Bahnreform II, die Umorganisation behindere einen „Aufbruch“ bei der DB, ist nach Ansicht der Güterbahnen falsch und durchsichtig. Gerade die langjährigen Konstruktionsfehler behinderten an vielen Stellen einen echten Aufbruch. „Die Verweigerung von Debatten, die geführt werden müssen sowie Ankündigungen bringen uns nicht voran, sondern nur Handeln. Derzeit herrscht beim Thema Verkehrswende beinahe Stillstand. Stillstand, den wir uns nicht leisten können“, so Kerkeling.
Bei der NEE-Mitgliederversammlung wurde die gesamte Vorstandsspitze einstimmig für weitere zwei Jahre in ihrem Amt bestätigt. Christian Dehns, langjähriges Mitglied im Vorstand und Gründungsmitglied des NEE stellte sich währenddessen nicht wieder zur Wahl und wurde so feierlich gewürdigt und verabschiedet, wie es die derzeitige Situation mit Onlineveranstaltungen erlaubt. „Christian Dehns ist als Gründungsmitglied eine der verdientesten Figuren des Verbandes, ohne ihn gäbe es das NEE in der Tat gar nicht. Ich freue mich sehr, dass er sich dennoch nicht ganz von uns verabschiedet und die Position als Beauftragter für Infrastrukturthemen übernimmt“, würdigt Kerkeling. Dehns‘ Nachfolger im Vorstand ist Thilo Beuven, Geschäftsführer der RTB Cargo GmbH.
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