Zur heutigen Pressekonferenz des Bundesverkehrsministers, bei der eine „Gleitende Langfrist-Verkehrsprognose“ bis 2051 vorgestellt wurde, nimmt der GÜTERBAHNEN-Geschäftsführer, Peter Westenberger, wie folgt Stellung:
„Diese Studie ist in jeder Hinsicht unbrauchbar. Statt die Optionen für eine gestaltende Verkehrspolitik aufzuzeigen, will das Werk suggerieren, die bisherige Verkehrspolitik sei nur als alternativlose Fortschreibung denkbar. Anders als im Herbst vom Ministerium vorangekündigt, ist auch das für Frühjahr 2023 angekündigte Modul „Alternativer Weg 2022“ in der Veröffentlichung nicht enthalten. Für die anstehende verkehrspolitische Grundsatzdiskussion im Kabinett wäre dieser Ansatz sicher nützlich gewesen. Wertmindernd wirkt sich auch aus, dass die Effekte auf die Klimaziele etwa der unterstellten kontinuierlichen massiven Steigerung des Straßengüterverkehrs und des negierten 25 Prozent-Verlagerungsziels auf die Schiene nicht ermittelt oder ausgewiesen wurden.
Es ist bedauerlich, dass die Gutachter des Verkehrsministeriums zudem unhaltbare grobe Einschätzungen zur Zukunft des Schienengüterverkehrs verbreiten und im Ergebnis einen rückläufigen Marktanteil von 17,3 Prozent in 30 Jahren prognostizieren. Der hochgejazzte Wegfall von Kohletransporten, die schon zuletzt nur 4,5 Prozent der Verkehrsleistung auf der Schiene ausmachten, wird in einigen Jahren nur noch für Schmunzeln sorgen. Denn der Kombinierte Verkehr kann jede freie Trasse eines wegfallenden Kohlezuges im derzeit zu engen Schienennetz brauchen. Denn er wächst um bis zu 12 Prozent – pro Jahr. Von wegfallenden Mineralöltransporten merkt die Schiene noch nichts, aber von den diskutierten e-Fuels über Flüssiggas bis hin zu Wasserstoff gäbe es nicht wenig Kandidaten für Tankzugfahrten in der Nachfolge der Erdölprodukte. Konsumgüter- oder KEP-Versender arbeiten mit der Schiene an intermodalen Lösungen auch mit neuen Ladegefäßen, um auf der Langstrecke energieeffizient und klimafreundlich transportieren zu können.
Wir sind auch wegen eines fatalen Zirkelschlusses über das Vorgehen des Verkehrsministeriums höchst beunruhigt. Je niedriger die von den BMDV-Gutachtern prognostizierte Verkehrsleistung auf der Schiene ist, desto weniger wird den eigentlich benötigten Ausbauprojekten ein volkswirtschaftlicher Nutzen in der – ebenfalls überarbeitungsbedürftigen - Berechnungslogik des BMDV bescheinigt werden. Folge: nicht einmal die Planung neuer Gleise wird begonnen. Als self-fulfilling prophecy bleibt das Schienennetz zu schwach, um die aus unserer Sicht sichere und starke Nachfragesteigerung bewältigen zu können.
Ob ein 30-jähriger Blick mit den Methoden der Gutachter von Intraplan und Trimode, die keinen Fachdialog mit der Branche geführt haben, überhaupt trägt, darf bezweifelt werden. Schwer abschätzbare Innovationen, disruptive Entwicklungen oder lange Latenzzeiten verzögerter gesellschaftlicher Prozesse können kaum bewertet werden. Wer sich 30 Jahre zurückversetzt, erkennt das leicht. 1992 konnte das größte Containerschiff 4.500 Container befördern, heute sind es knapp 24.000. 1992 wurde der heute vergessene Transrapid euphorisch als neues Verkehrsmittel in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen – und „erstmals“ mehr Geld für die Schiene als die Straße angekündigt. Das erste breitentaugliche Funktelefonnetz wurde in Betrieb genommen, das erste Smartphone kam aber erst 15 Jahre danach auf den Markt. Die in der Klimarahmenkonvention von 1992 versprochene „Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen auf einem Niveau, bei dem eine gefährliche vom Menschen verursachte Störung des Klimasystems verhindert wird“ sah so aus, dass der weltweite jährliche Treibhausgasausstoß von 23 Mrd. Tonnen auf 37 Mrd. Tonnen anstieg, so dass jetzt der Rest der noch ohne katastrophale Entwicklungen möglichen Treibhausgasemissionen extrem geschrumpft ist.“
Pressekontakt: Daniela Morling, mobil: + 49 151 555 081 83, E-Mail: morling@netzwerk-bahnen.de