Den Vorstoß von Bundesverkehrsminister Scheuer, den Schienenverkehr deutlich früher als 2050 mit 100 Prozent Ökostrom zu betreiben, hat das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V. begrüßt.
Die schon jetzt sehr geringen CO2-Emissionen des zu über 90 Prozent elektrisch betriebenen Schienentransports – es handelt sich nur um 1,3 Prozent der gesamten Verkehrsemissionen – könnten dadurch vergleichsweise leicht noch weiter als bisher reduziert werden. NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling sagte dazu in Berlin: „Der richtig große Klimaschutz-Hebel, die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene, würde dadurch noch wirksamer!“ Zuallererst müsse sich die Bundesregierung allerdings selbst fragen, ob sie bisher die richtigen Anreize gesetzt hat. Kerkeling: „20 Jahre Ökostromstrategie haben leider keine gezielte Förderung des umweltfreundlichsten Verkehrsmittels betrieben, sondern die Schiene einseitig verteuert.“
Nun müsse Berlin zunächst die seit den rot-grünen Jahren betriebene systematische Ungleichbehandlung des elektrisch betriebenen Schienenverkehrs im Verkehrssektor beenden. Kerkeling: „Die stromfreien Straßen-, Luft- und Schiffsverkehre kennen viele milliardenschwere Abgaben nur vom Hörensagen, die im Schienenverkehr eingepreist werden mussten und müssen.“ Neben der Einführung einer Stromsteuer im Schienenverkehr (1999) habe vor allem die exklusive Heranziehung der Schiene im Emissionshandel (2005) und für die Kraft-Wärme-Kopplungsförderung (2002) sowie schließlich bei der Förderung erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung (EEG-Umlage, 2004, steigende Netznutzungsentgelte) nur dem Schienenverkehr finanzielle Lasten auferlegt. Zugleich würden strom- und gasbetriebene Straßenfahrzeuge nicht nur seit Jahren von den meisten klimaschutzbezogenen Abgaben befreit, mittlerweile erlässt die Regierung diesen Fahrzeugen sogar ihren Infrastrukturbeitrag, die Maut. In der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität zirkulierten noch deutlich weitergehende Subventionsideen für straßengebundene Elektromobilität.
Kerkeling: „Hier wird mit zweierlei Maß zu Lasten der Schiene gemessen. Wenn Eisenbahnverkehrsunternehmen – egal ob es jene der DB sind oder etwa mein eigenes Unternehmen – in den vergangenen Jahren etwas für Energieeinsparung und CO2-Minderung getan haben, dann hat es keine finanzielle Unterstützung des Staates dafür gegeben. Wenn jetzt Herr Scheuer richtigerweise schneller 100 Prozent Ökostrom auf der Schiene ermöglichen will, muss genau darauf geachtet werden, dass die Schiene im Wettbewerb dadurch nicht verteuert und im intermodalen Wettbewerb zurückgeworfen wird.“
Nach Auffassung der Wettbewerbsbahnen existieren eine Reihe von Instrumenten, mit denen die Regierung zusammen mit dem Eisenbahnsektor sowie Energieerzeugern und -händlern in einer abgestimmten Strategie den schnelleren Ökostromeinsatz im Schienensektor voranbringen kann, ohne die Schiene zu verteuern:
Kerkeling forderte den Verkehrsminister dazu auf, eine Umsetzungsstrategie vor der Beratung im Klimakabinett mit der gesamten Branche zu diskutieren. Im vergangenen Jahr wurde bereits jede sechste Kilowattstunde Bahnstrom von anderen Stromversorgern als der DB Energie GmbH geliefert und ins Bahnstromnetz eingespeist. Non-DB-Bahnunternehmen entschieden im Güterverkehr zur Hälfte und im Personennahverkehr zu etwa einem Drittel der Schienenverkehrsleistung, ob sie von DB Energie oder einem anderen Stromlieferanten beliefert werden. Die bundeseigene DB Energie GmbH kann wegen langfristiger Lieferverträge mit konventionell befeuerten Kraftwerken (Mannheim, Schkopau, Bremen) und des noch nicht gebannten Risikos eines ultralangen Abnahmezwangs aus dem umstrittenen Kohlekraftwerksprojekt in Datteln in einer ambitionierten Ökostromstrategie nicht frei handeln. Daher dürfe Minister Scheuer seine Ideen nicht nur „seiner“ Deutschen Bahn AG übergeben oder gar Deals zur Folgenbewältigung politischer Entscheidungen der Vergangenheit zu Lasten des gesamten Schienenverkehrs schließen.
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