Die Spekulationen um „Streichlisten“, „Ausbaustopps“ und den metaphorischen „Rotstift“ für Neu- und Ausbauprojekte sind nach Auffassung eines Verbändebündnisses widersinnig für die Zukunft der Schiene. Rund um das Strategiepapier „S3“ und vor der nächsten Aufsichtsratssitzung der DB fordern die Verbände von der Regierung ein klares Bekenntnis zum Neu- und Ausbau des Schienennetzes und die Veröffentlichung des Infrastrukturteils von S3.
Ein Verbändebündnis aus DIE GÜTERBAHNEN, mofair, dem Fahrgastverband PRO BAHN, dem ökologischen Verkehrsclub (VCD) und dem Verband Deutscher Eisenbahn-Ingenieure (VDEI) fordert vom Bund die Beschleunigung des Neu- und Ausbaus der Schiene. Das erst kürzlich novellierte Bundesschienenwegeausbaugesetz sieht im Einklang mit dem Deutschlandtakt-Konzept der Regierung mehr Kapazität auf der Schiene vor und keinen Stillstand. Zuletzt fielen Koalitionspolitiker:innen vor allem damit auf, sich ausschließlich auf die Sanierung des Bestandsnetzes zu konzentrieren. Diese ist unumgänglich, als einzige Zukunftsaussicht aber unzureichend. Es scheint, als sollten keine neuen Projekte in den kommenden Jahren angefangen werden – das könnte das Ende der politischen Wachstumsziele für die Schiene bedeuten.
Die Verbände mahnen, dass der am 02. Oktober außerplanmäßig tagende Aufsichtsrat des DB AG-Konzerns kein grünes Licht dafür geben dürfe, dass Sanierungen allein ausreichend seien: „Über den Aufsichtsrat muss der Bund seinen Einfluss geltend machen. Für ein zukunftsfähiges Bahnnetz reicht es nicht, den Bestand zu erhalten. Wir müssen jetzt in bessere Schienenwege investieren, die mehr Güter und Fahrgäste aufnehmen können.“ Die Verbände befürchten aufgrund von Andeutungen, dass nur noch im Bau befindliche Projekte zu Ende gebracht und alle Planungen auf Eis gelegt werden sollen. Seit Jahrzehnten diskutierte Projekte wie die Elektrifizierung des „Ostkorridors“ in Richtung Tschechien, die Neubaustrecke Frankfurt-Rhein/Neckar oder der Ausbau zwischen Hamburg und Hannover stehen (mal wieder) auf der Kippe.
Der seit über einem Jahr angekündigte InfraPlan, der für die kommenden fünf Jahre punktgenau Ausbaupläne fixieren sollte, lässt noch immer auf sich warten, und das S3-Papier der DB wurde weder der Branche, noch Öffentlichkeit, noch Parlament zugänglich gemacht. „Wir erleben nun den Härtetest, ob der Bund zum wiederholten Mal den Schienenausbau abwürgt, während der Straßenausbau immer weiterläuft. Nach einem konsistenten Plan zum Erreichen der eigenen Ziele sieht das nicht aus“, so die Verbände.
Die Verbände fordern die Veröffentlichung des Infrastrukturteils des S3-Strategiepapiers. „Infrastruktur ist Allgemeingut, kein Geschäftsgeheimnis der Deutschen Bahn. Die Unternehmen wollen wissen, was die DB aus den Vorgaben des Bundes macht.“
Planungsstopps, wie sie zur Debatte stehen, führen in der Regel nicht dazu, dass Kosten gespart werden. Projekte stehen begründet als übergeordneter Bedarf fest, weil sie gebraucht werden. Wenn Planungen gestoppt werden, fallen diese Projekte meist einen oder mehrere Schritte zurück, weil Rahmenbedingungen sich ändern – das führt letztendlich zu mehr Kosten, wenn die Planungen später wieder aufgenommen werden.
Von Planungsstopps könnte auch die Umsetzung des Zugleit- und Sicherungssystems ETCS betroffen sein. Die bisherigen Ausbaupläne für 2028 und 2029 mussten zurückgenommen werden, da der Bund keine verbindliche Finanzierung der Streckenumrüstung garantieren konnte. Ein aktualisierter Rolloutplan soll erst Ende des Jahres zur Verfügung stehen und wird die geplante Einführung von ETCS-only Strecken (ohne konventionelle Signale) voraussichtlich auf 2030 oder später verschieben. Damit fällt Deutschland immer weiter hinter die Nachbarländer zurück, die ETCS für einen besseren grenzüberschreitenden Verkehr bereits eingeführt haben oder aktuell einführen. Die EU-Kommission hat gestern erneut damit gedroht, in dieser Angelegenheit härter gegen Deutschlands Säumnisse vorzugehen.
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