Für zusätzliche Straßen will die Bundesregierung im kommenden Jahr fast doppelt so viel Geld ausgeben wie für den Neu- und Ausbau des Eisenbahnnetzes. Maßgeblich für deutlich mehr Verkehr auf der Schiene ist die Erweiterung des Schienennetzes, damit mehr Züge fahren können, denn das existierende Netz ist nicht überall, aber an zahlreichen neuralgischen Punkten sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr an der Kapazitätsgrenze.
Entgegen den eigenen Ankündigungen hat die Ampel-Regierung nach ihrem ersten Haushaltsbeschluss (für das laufende Jahr) keine Kurskorrektur vorgenommen. 2023 sollen nach dem am 1. Juli beschlossenen Regierungsentwurf des Bundeshaushalts für zusätzliche Schienen nur 2 Mrd. Euro bereitgestellt werden. Im laufenden Jahr sind es 1,9 Milliarden Euro. Vergleicht man die Summe mit dem Neu- und Ausbau des Bundesfernstraßennetzes (Autobahnen und Bundesstraßen – Landes- und Kommunalstraßen sind bei diesem Vergleich nicht berücksichtigt) sollen dafür nach dem Willen der Bundesregierung im nächsten Jahr hingegen 3,88 Mrd. Euro zur Verfügung stehen.
Die allseits propagierte Aussage des Bundesverkehrsministers Wissing „Erstmals mehr Geld für Schiene als Straße!“ lässt sich leicht widerlegen, da bei den Mitteln für die Straße die Planungskosten „herausgerechnet“ wurden – bei der Schiene nicht.
Die Bundesregierung nimmt das eigene Ziel, „erheblich mehr in die Schiene als in die Straße [zu] investieren“ (Koalitionsvertrag, Seite 38), nicht ernst. Auch die Möglichkeit, die Mittel aus dem bisherigen Bedarfsplan der Straßenbauvorhaben umzuschichten, bleibt ungenutzt. Damit verpasst die Ampel die Chance im Haushalt 2023, den seit Jahren überfälligen Startschuss für einen Investitionshochlauf beim Neu- und Ausbau des Eisenbahnnetzes zu setzen. Denn der Bedarf für die vom Bundestag für notwendig gehaltenen Schienenprojekte ist deutlich höher. Für die Projekte des sogenannten „Vordringlichen Bedarfs“ des Bedarfsplans Schiene, für Maßnahmen zur Umsetzung des Deutschlandtakt-Konzeptes sowie Elektrifizierungen braucht es mindestens 3 Mrd. Euro pro Jahr, die sich bis zum Ende des Jahrzehnts auf etwa 6 Mrd. Euro erhöhen müssen. Dieses Ziel unterschrieb das Verkehrsministerium 2020 selbst im „Masterplan Schiene“.
Dass Deutschland zum Autoland wurde, hängt auch damit zusammen, dass seit vielen Jahrzehnten der größte Teil der öffentlichen Verkehrsinvestitionen in neue Straßen und die Erweiterung der vorhandenen Straßen und Anlagen gelegt wurde.
Die steigende Netzdichte erleichterte und beschleunigte in den Jahren ab 2000 den Straßenverkehr, der damit seine Attraktivität im Vergleich zur Schiene deutlich steigern konnte. Weniger im Fokus der Öffentlichkeit, aber offenbar nicht minder effektiv, wurde zugleich die Leistungsfähigkeit der Straße auch durch den Ausbau bereits vorhandener Straßen deutlich erhöht (zusätzliche Fahrspuren, kreuzungsfreie Verknüpfungen, Mitnutzung von ehemaligen Standspuren und anderen Verkehrsanlagen, etc.).
Für den notwendigen Neu- und Ausbau der Schienenwege (z. B. 3. und/oder 4. Gleis neben einer vorhandenen Strecke, aber auch Wiederaufbau eines früher existierenden zweiten Gleises oder von Verbindungskurven, Brücken, etc.) gibt der Bund als Alleinverantwortlicher seit vielen Jahren zu wenig Geld aus. Zwischen 2010 und 2020 investierte der Bund 28,1 Mrd. Euro mehr in Bundesfernstraßen als Schienenwege. Es besteht also großer Nachholbedarf. Zugleich hat es die DB Netz AG in den meisten Jahren nicht geschafft, die zu geringen Mittel zu verbauen und muss jetzt auf die Tube drücken. DIE GÜTERBAHNEN fordern von Regierung und Haushaltsgesetzgeber, nicht verbaute Mittel des Bedarfsplans langfristig in einem Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild zu sichern. Dies schafft auch die nötige langfristige Planungssicherheit, um Personalkapazitäten bei Planung und Bau aufzubauen. Somit kann das „Henne-Ei-Problem“ zwischen Baukapazität und bereitgestellten Mitteln gelöst werden.