Seit Januar 2021 mussten Güterbahnen beim Stromeinkauf an der Börse spürbar steigende Kosten verkraften, in der zweiten Jahreshälfte hat sich dieser Preisanstieg dann nochmals enorm beschleunigt.
Spürbare Strompreissteigerungen sorgen viele Menschen. Beim Antriebsstrom für Güterbahnen geht es jedoch um viel mehr. Seit Januar 2021 mussten Güterbahnen beim Stromeinkauf an der Börse spürbar steigende Kosten verkraften, in der zweiten Jahreshälfte hat sich dieser Preisanstieg dann nochmals enorm beschleunigt. Die Entwicklung bedroht nicht nur die Existenz von Güterbahnunternehmen, sie gefährdet auch die Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor, weil aus Kostengründen die Schiene Ladung an den Lkw verlieren könnte. Ein Transport mit dem Lkw ist für rund siebenmal höhere Treibhausgasemissionen verantwortlich als die Beförderung mit dem Zug. E-Mobilität ist auf der Schiene schon seit Jahrzehnten Realität. Heute wird der Schienengüterverkehr bereits zu 95 Prozent mit Elektrolokomotiven erbracht - Tendenz steigend. Dabei ist diese Transportart deutlich energieeffizienter als auf der Straße und mit einem hohen Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien zukunftsweisend. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Energiepolitik machen es der Schiene schon seit vielen Jahren unnötig schwer, ihre für die verladende Wirtschaft bedeutsame wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Straßentransport zu verbessern.
Ein Rückblick auf die langfristige Entwicklung des Strompreises und des gewerblichen Dieselpreises seit 2008 – dem Jahr vor der Finanzkrise – bis zum Beginn des Jahres 2021 zeigt: Diesel wurde mit einem Rückgang von 5 Cent pro Liter in diesen 13 Jahren nicht einmal nominal teurer im Unterschied zum Strom, dessen Preis viele Jahre kontinuierlich durch klimabezogene Abgaben anstieg. Auch die Einführung einer CO2-Steuer im Jahr 2021 – die erste Klimaabgabe, die der Lkw zahlen muss, wohingegen der Zug bereits seit 1999 Stromsteuer zahlt – konnte daran nichts ändern. Der Anteil der Energiekosten an den direkten Betriebskosten der Eisenbahnverkehrsunternehmen lag bereits vor der aktuellen Entwicklung bei etwa 20 Prozent. Einer Experteneinschätzung zufolge liegt der Preisanstieg seit Beginn des vergangenen Jahres unter Berücksichtigung der „stabilisierenden Elemente“ (Stromsteuer und dieses Jahr auch EEG-Umlage und Netzentgelt) gerundet beim Faktor 2,1, also eine Verdoppelung.
Die Stromeinkaufspreise an der Strombörse lassen noch dazu keine Entspannung erwarten, denn diese liegen sogar mit dem Faktor 4 bis 6 über den Preisen im Januar 2021. Das hat unter anderem zur Folge, dass auch längerfristige Stromeinkaufsstrategien der Güterbahnen durch den hohen Strompreis bestimmt werden. Dabei ist diese Entwicklung nicht nur ein Problem einzelner Unternehmen, sondern hat fundamentale Auswirkungen auf die Klimaschutzziele der Bundesregierung. Im vergangenen Jahr erlebte zwar auch der Straßengüterverkehr gestiegene Dieselpreise, dennoch liegt die Steigerung dort mit etwa 20 Prozent deutlich niedriger als die Entwicklung im elektrisch betriebenen Schienengüterverkehr. Bis 2030 soll der Marktanteil der Schiene im Güterverkehr nach dem Willen von Bundesregierung und auch der Güterbahnen von derzeit 18 auf mindestens 25 Prozent gesteigert werden. Die derzeitige Situation wirft die Güterbahnen jedoch zurück: Immer häufiger könnte es kostengünstiger werden, Verkehre aufgrund gestiegener Preise von der Schiene auf die Straße zu verlegen und im verbleibenden Schienengüterverkehr sogar wieder Dieselloks einzusetzen. Der Straßengüterverkehr kann in dieser Lage hoher Strompreise also von seinem geringen Anteil an klimafreundlichen Antrieben profitieren – der Preis schlägt das Argument des Klimaschutzes. Es ist sowohl die Verkehrs- als auch die Energiepolitik des Bundes gefragt, dieser Marktentwicklung durch geeignete Maßnahmen entgegenzusteuern. Das kurzfristige Ziel muss sein, den intermodalen Wettbewerb zu stabilisieren und die relative Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs zu stärken, indem beispielsweise der überfällige Abbau des Dieselsteuerprivilegs endlich Realität wird. Langfristig muss die Strompreisentwicklung stabilisiert werden. Auch die Möglichkeiten, Regulationsmöglichkeiten für gewerbliche Strommärkte zu schaffen sowie zusätzliche Instrumente wie die Etablierung eines Bahnstromindex oder die Überprüfung der Netzentgeltstrukturen und die Unterstützung beim Aufbau stabiler Bezugs- und Vertragsbeziehungen für eine klimafreundliche Bahnenergieversorgung sollten überprüft werden.
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