"Sprit-Abzocke: Wo bleibt das Kartellamt?“, fragte BILD vor einem Monat. Wenige Tage zuvor hatte die Bonner Behörde vorsichtig erklärt, dass der gerade ausgelaufene dreimonatige Tankrabatt bei den Kraftfahrer:innen angekommen sei. Der galt, obwohl er „Straßen-Äquivalent“ des 9-Euro-Tickets sein sollte, nicht nur für Pkw-Fahrer:innen, sondern auch für den Lkw. Die Fuhrunternehmen und ihre industriellen Auftraggeber wurden von Juni bis August dadurch um insgesamt etwa eine Milliarde Euro entlastet.
Im gleichen Zeitraum gingen die Preise für Bahnstrom nahezu senkrecht nach oben: Während 2019 an der Strombörse noch 3,8 Cent/kWh Bahnstrom und im September des vergangenen Jahres immerhin 12,8 Cent/kWh (plus 237 Prozent) fällig wurden, lag die Spitze Mitte August 2022 bei fast einem Euro je kWh (plus 2500 Prozent). Lkw-Diesel dagegen war Anfang September 2022 nur um etwa 55 Prozent teurer als ein Jahr zuvor (siehe hier). BILD hat über die Situation im Schienengüterverkehr noch nicht berichtet, das Kartellamt wurde ebenfalls nicht gesichtet.
Eine repräsentative Abfrage des Bündnisses unter seinen Mitgliedern ergab: nach ihren Planungen für 2023 werden die Kosten für den Fahrstrom im Schnitt ganze 28 Prozent ihrer gesamten Unternehmenskosten ausmachen. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lag dieser Anteil noch bei lediglich 12 Prozent. Selbst in den Stromrechnungen der Unternehmen, die sich kontinuierlich einen Großteil ihres Bedarfs vorab am Terminmarkt beschafft hatten, schlägt sich die Strompreisexplosion nun immer stärker nieder. Staatlicher Beistand wie für die Lkw-Branche? Bisher Fehlanzeige. Ohne Hilfen werden viele Unternehmen das nicht durchhalten können.
Transport ist einer der energieintensivsten Wirtschaftszweige. Allerdings verbraucht der Schienentransport nur ein Viertel der Energie im Vergleich zum Lkw und ist durch den hohen Anteil von grünem Strom noch klimafreundlicher. Deutschland, Europa und andere Länder können ihre Klimaschutzziele ohne die Unternehmen des Schienengüterverkehrs nicht erreichen.
Zwar plant die Bundesregierung in ihrem dritten Entlastungspaket die Abschöpfung von Über- bzw. Zufallsgewinnen der Stromerzeuger oberhalb einer Grenze von 18 Cent/kWh, eine Sondersteuer und eine Rückgabe der Mittel an die Stromverbraucher:innen. Ob und in welchem Umfang DIE GÜTERBAHNEN davon profitieren, ist allerdings offen. Auch ist unklar, ob künftig direkte Zahlungen an Bahnunternehmen, die energieintensiv und aufgrund der Energiepreisentwicklung existenzgefährdet sind, möglich werden. Bisher weigert sich die Bundesregierung, ausgerechnet die klimafreundliche Schiene auf die dafür maßgebliche „KUEBLL-Liste“ zu setzen.
DIE GÜTERBAHNEN haben zusammen mit dem VDV und der Allianz pro Schiene vorgeschlagen, einen weiteren Weg zu prüfen: eine befristete Preisregulierung der Bahnstrompreise nach dem Vorbild der Trassenpreise. Dabei werden die Gestehungskosten (Brennstoff, ggf. CO2-Zertifikate, Personal, Material, Verwaltung – und auch Abschreibungen) sowie ein angemessener Gewinnaufschlag zugrunde gelegt, um den Preis zu bestimmen und zu begrenzen. Eine Gewinnabschöpfung wäre damit im Bahnstromsystem, das durch seine unterschiedliche Frequenz (16,7 Hz statt 50 Hz) klar von der „öffentlichen Stromversorgung abgegrenzt ist, nicht erforderlich.