Kaum etwas ist in Deutschland so unpopulär wie unnötige Bürokratie. Wie kann es dann sein, dass ausgerechnet ein Verband von wettbewerbsorientierten Unternehmen wie DIE GÜTERBAHNEN die Gründung einer neuen Behörde fordert? Genauer gesagt eines „Bundesamtes für Schieneninfrastruktur (BASchi)“? Einfach deswegen, weil Sparen an der falschen Stelle den Staat und seine Steuerzahlenden noch mehr Geld kostet als ein gut funktionierendes Amt. Der Blick geht in die Schweiz, wo das „Bundesamt für Verkehr“ einige für den hochgelobten eidgenössischen Schienenverkehr wichtige Funktionen erfüllt. Konkret geht es um Kapazität und Qualität in der Schieneninfrastruktur, die in den vergangenen Jahren – eigentlich Jahrzehnten – in Deutschland stagnierten bzw. abnahmen, während der Verkehr auf dem netto verkürzten Schienennetz zunahm.
Die für 90 Prozent des deutschen Schienennetzes zuständige Deutsche Bahn AG hatte ihre Infrastrukturanlagen nach der Bahnreform von 1994 nicht nur auf mehrere gewinnorientierte Aktiengesellschaften verteilt. Sie etablierte darüber auch eine Konzernleitung, die ihrerseits als Aktiengesellschaft für den Bund Gewinn erwirtschaften sollte und soll. Mal mit und mal ohne vertragliche Grundlage und Finanzierung fordern Bundestagsabgeordnete aus dem ganzen Land und der jeweilige Verkehrsminister, dass die DB-Infrastrukturbetreiber mehr Verkehr auf die Schiene bringen sollen. Kontrolle wurde dabei aber kleingeschrieben. Als Aktiengesellschaften behielten die DB-Einheiten Geschäftsgeheimnisse oder das, was sie dafür hielten, für sich, und die Aufsichtsräte verfügen nur über eingeschränkte Mandate und Schweigepflichten. Verkehrs- und Finanzministerium, Eisenbahn-Bundesamt, Bundesnetzagentur und Bundesrechnungshof können immer nur kleine Ausschnitte überblicken und bewerten und auch vertragliche Berichtspflichten stellten sich als ungeeignet zur Bewertung des wahren Netzzustandes heraus.
In der Schweiz läuft das anders: Das Bundesamt für Verkehr (BAV) schließt mit den Unternehmen, die dort Schieneninfrastrukturen betreiben, vierjährige Verträge. Diese umfassen Betrieb und Instandhaltung (Leistungsvereinbarungen) sowie den Ausbau (Umsetzungsvereinbarungen) der öffentlichen Schienennetze und verteilen die nötigen Mittel, insgesamt gut vier Milliarden Franken pro Jahr aus dem Bahninfrastrukturfonds (BIF). Das Amt begleitet die Umsetzung der Leistungs- und Umsetzungsvereinbarungen kontinuierlich. Anders als hierzulande hat es direkten Zugriff auf die betrieblichen Daten der insgesamt 35 Unternehmen und kann so nicht nur für Kostenkontrolle, sondern vor allem für Ergebniskontrolle sorgen. Die Vorgaben dafür liefern die Parlamente von Bund und Kantonen in zyklischen Abständen, die fachlich vom Bundesamt für Verkehr vorbereitet und nach den Beschlüssen gemonitort werden. Der Clou: Das eingespielte System kommt mit einem überschaubaren Personalaufwand aus. 10,6 Stellen im BAV reichen dabei für das vom BAV betraute, 5.260 Kilometer lange Schweizer Eisenbahnnetz aus. Übertragen auf das DB-Netz mit 33.000 Kilometern Länge wären das 66 Stellen. Und die müssten nicht einmal zusätzlich geschaffen werden. Ein Großteil der benötigten Stellen könnte aus den Reihen der bestehenden Behörden übergeleitet werden. Erfolgsfaktoren in der Schweiz sind klare gesetzliche Grundlagen und Funktionsbeschreibungen, konkrete und mit Budgets versehene Aufträge und eine hohe Fachkompetenz samt – selten genutzter – Durchgriffsmöglichkeiten der öffentlichen Hand.