„Mindestens unsystematisch“ wäre wahrscheinlich das Fazit eines Berichts, den Außerirdische über den
Umgang der deutschen Regierung mit den wachsenden Güterströmen und hohen Klimaschutzanforderungen nach Hause funken würden. Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE), sieht „Verzettelung statt Prioritäten, viele Ankündigungen, wenige echte Änderungen. Und mit der Statistik fängt es schon an.“ Noch immer bestimmten falsch erhobene Zahlen des Statistischen Bundesamtes die Debatte, wonach der Schienengüterverkehr im Jahr 2017 zurückgegangen sei („An den Güterbahnen lief der Transportboom vorbei“). Die Bundesnetzagentur habe dagegen dokumentiert, dass der Schienengüterverkehr kontinuierlich wächst. Die nicht zum DB-Konzern gehörenden Wettbewerbsbahnen wachsen dabei seit Beginn des Jahrtausends schneller als der Marktführer DB Cargo an Verkehrsleistung verliert, so dass zuletzt der Schienenanteil im Verkehrsmarkt sogar leicht gestiegen sei. Im Gegensatz zur DB Cargo, die allein im ersten Quartal 2019 rund 79 Mio. Euro Verlust einfuhr, schreiben die Wettbewerbsbahnen schwarze Zahlen.
Westenberger: „Die Signale für die Verkehrspolitik der Zukunft sind aber nicht weniger widersprüchlich –
ein Blick auf diese Woche zeigt das.“
Westenberger: „Ja was denn nun? Der deutschen Güterverkehrspolitik fehlt weiterhin ein verkehrsträgerübergreifender roter Faden. Die Innovationsdynamik im Schienensektor wird durch die Angst vor mehr Wettbewerb und den notwendigen Veränderungen beim Bundesunternehmen DB AG gebremst.“ Das Zukunftsbündnis sei zwar bisher auf dem richtigen Gleis unterwegs, das habe der Schienengipfel gezeigt. Positiv sei vor allem das Bekenntnis, den Marktanteil der Schiene im Güterverkehr bis 2030 gegenüber heute 19 Prozent „deutlich“ (Scheuer) beziehungsweise auf „25 Prozent“ (Ferlemann) zu steigern. „Zugleich“, so Westenberger, „finanzieren und promoten der Minister, der Chef „seines eigenen“ Bahn-Unternehmens und die Bundesumweltministerin munter Technologien, die ausgerechnet im Fernverkehr noch mehr Lkw auf die Autobahn bringen und dort Infrastrukturinvestitionen erfordern würden.“
Wenn es nicht für alle Beteiligten so teuer wäre, könnten die kontinuierlich wachsenden Verluste der DB Cargo ironisch als bester Beleg für staatliche Fehlsteuerung abgetan werden. Westenberger: „Es ist komplexer. Erstens wird das konzerninterne verrechnete Defizit auch aus den Infrastruktur-Nutzungsentgelten aller im Wettbewerb miteinander und mit der Straße stehenden Bahnunternehmen gedeckt. Zweitens verfolgt der DB-Konzern – wie die Regierung selbst – sich widersprechende güterverkehrspolitische Strategien.“
Deutschland benötige daher endlich eine gründlich vorbereitete Bahnreform II, die über die nun geplante Mini-Reform des Eisenbahnregulierungsgesetzes weit hinausgehe und letztlich auch die Struktur der DB einer marktfähigen Strategie für den gesamten Eisenbahnsektor unterordne. Westenberger: „Klar ist: der effiziente Betrieb der Infrastruktur ist eine staatliche Aufgabe. Vom Wettbewerb auf der Schiene profitieren wiederum die Kunden im Güter- und Personenverkehr, der Steuerzahler und die Umwelt. Hier zeigt die Entwicklung, dass staatsferne Unternehmen in aller Regel besser sind.“