Mehrere Wahlen, Dürresommer mit Hitzewellen und Niedrigwasser, eine Pandemie und einen Energieengpass hat es gebraucht, bis die Regierung die Schiene und ihre große Bedeutung für die Versorgung der Menschen und das Klima (wieder)entdeckt hat. Der diesjährige Schienengipfel muss einen Wendepunkt markieren. DIE GÜTERBAHNEN fordern politisches Handeln, nicht nur flüchtige Aussagen und vage Ziele.
Für mehr Kapazität des Schienennetzes werden vor allem mehr Gleise benötigt
Die Schieneninfrastruktur wurde mehr und mehr zum Wachstumshemmnis für die klimafreundliche Eisenbahn. Bund und DB Netz haben in der gesamten letzten Legislaturperiode nur 67 Kilometer neue Bahnstrecke ans Netz genommen. Seit der Bahnreform vor fast 30 Jahren waren es insgesamt nur 1.717 Kilometer. Der Schienengüterverkehr hat sich seitdem aber verdoppelt. Mehr Schienen(güter)verkehr braucht ab sofort stark steigende Bundesmittel sowie ein Bekenntnis zur substanziellen Beschleunigung von Aus- und Neubau der physischen Infrastruktur – zusätzlich zur forcierten Ausstattung des Netzausrüstung mit dem Leit- und Sicherungssystem ETCS. Die ETCS-Mittel wurden im Haushaltsentwurf 2023 stark gekürzt, die Neu- und Ausbaumittel bewegen sich nur unwesentlich über dem Niveau der Vorgängerregierung. Positiv sehen wir das (geplant sind
58 Mio. Euro) steigende Budget für „Kleine und Mittlere Maßnahmen“, mit denen im bestehenden Netz die Kapazität erhöht werden kann. Der Ansatz ist aber immer noch deutlich zu gering. Auch die im 3. Entlastungspaket vorgesehenen Mittel von 1,5 Mrd. Euro, davon 0,5 Mrd. im Haushalt 2023, stellen eine erfreuliche Reaktion auf die Kritik an zu geringer Bundesfinanzierung dar und müssen nun effizient eingesetzt werden z. B. für die Elektrifizierung und die ETCS-Ausrüstung von Lokomotiven.
Nachholende Schienennetzmodernisierung aus dem Schenker-Verkauf ermöglichen
DIE GÜTERBAHNEN begrüßen Bestrebungen für einen Verkauf oder Börsengang der DB-Logistik-Tochter Schenker. Der Erlös soll vollumfänglich dazu genutzt werden, die Modernisierung der Schieneninfrastruktur zu finanzieren. Die eingenommenen Gelder sollten ohne Abzug in einen transparenten Schieneninfrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild fließen. Als Teil eines Sondervermögens für die 2024 geplante gemeinwohlorientierte Schieneninfrastrukturgesellschaft kann mit diesen Mitteln Versäumtes nachgeholt werden. Die Mittel müssen investiv, nachhaltig, produktivitätssteigernd sowie diskriminierungsfrei in der Schieneninfrastruktur eingesetzt werden. Das bundeseigene Schienennetz muss endlich ins 21. Jahrhundert gebracht werden – etwa mit neuer Fahrplan- und Betriebs-IT, digitalen Stellwerken, Überholgleisen mit europäischer 740-Meter-Normlänge und einer preisstabilen Versorgung mit erneuerbaren Energien. Der Eigentümer Bund muss bei einem letztlich lohnenden Verkauf allerdings zwei bekannten Versuchungen widerstehen: heimlich Mittel in gleicher Höhe im Schienenkapitel des Bundeshaushalts zurückzufahren sowie der DB den Verkaufserlös unkontrolliert zu überlassen.
Deutschlandtakt – auf der richtigen Spur!?
Das Deutschlandtakt-Konzept wird auch von der neuen Regierung verfolgt und nach Einschätzung der GÜTERBAHNEN an neuralgischen Stellen sinnvoll weiterentwickelt: Der vorliegende Fahrplanentwurf wird überprüft, auf die umstrittene Verordnung für langwierige Versuche mit den Planungsinstrumenten soll verzichtet werden. Aufbruch ist bei diesem Thema im Ministerium spürbar. Deutschlandtakt-Konzept heißt, zuallererst die Infrastruktur entsprechend der vorgesehenen künftigen Fahrpläne auszubauen. Weitere Taktverdichtungen im Personenverkehr, die wie zuletzt zwischen Hamburg und Berlin den Güterverkehr ausbremsen, darf es nur mit zusätzlichen Streckenkapazitäten geben. Würde in der jetzigen Geschwindigkeit weiter geplant und gebaut, würde der Güterverkehr zunehmend vom Personenverkehr verdrängt. DIE GÜTERBAHNEN empfehlen vor allem wegen der hohen Klimawirkung bei der Verlagerung von Lkw-Verkehren, den Fokus „Personenfernverkehr first, andere Verkehre second“ aufzugeben und die Expertise und Erfahrung der GÜTERBAHNEN stärker einzubeziehen.
Standpunkt der GÜTERBAHNEN zu General- und Korridorsanierung im Hochleistungsnetz
Wenig Bestandserhaltung gepaart mit kontinuierlichem Rückbau hat das Schienennetz an den Rand der Belastung gebracht. Störungen betreffen alle Schienenverkehre, doch nimmt der Gütertransport oft eine mediale Außenseiterrolle ein, da er für die meisten Menschen weniger sichtbar, während er für Industrie und Versorgung essenziell ist. DIE GÜTERBAHNEN stehen weiterhin hinter der Grundidee der Sanierung und gleichzeitigen Modernisierung von hochbelasteten Strecken „in einem Rutsch“. Die konkrete Ausprägung wurde von der DB bisher jedoch nur teilweise und nur am Beispiel der Riedbahn vorgestellt. Damit ist eine abschließende Bewertung noch nicht möglich. Ausreichende Kapazitäten auf bau- und störungsfreien Umleitungsstrecken sowie die Frage, was bis 2024 und dauerhaft zur kundenfreundlichen Baustellenkoordination im gesamten Netz getan wird, stehen für DIE GÜTERBAHNEN bei dieser Diskussion im Mittelpunkt, denn Züge fahren nicht nur auf den Hauptstrecken und brauchen während der Baumaßnahmen Alternativen!
Pilot „Riedbahn“ – geeignet für die Korridorsanierung?
Zwischen dem Rhein-Main-Gebiet und dem Rhein-Neckar-Raum existieren drei zweigleisige und heute stark ausgelastete Schienenstrecken. Sie liegen mitten im wichtigsten Europäischen Schienengüterverkehrskorridor Rhine-Alpine. Die Planung einer vierten (Neubau-)Strecke kommt seit vielen Jahren nur langsam voran. Die von der DB Netz für die zweite Jahreshälfte 2024 geplante halbjährige Vollsperrung der mittleren Strecke (Riedbahn) zwecks Modernisierung und Ausbau ist prinzipiell schlüssig. Allerdings liegt noch kein prüfbares Umleitungskonzept vor und auch bezüglich des Umfangs der Leistungserhöhung der Strecke sehen DIE GÜTERBAHNEN noch Gesprächsbedarf. Zum zweiten Gespräch hat die DB Netz die Unternehmen für den 26. September eingeladen.
Die Bautätigkeit muss kundenfreundlicher werden
Durch den „Runden Tisch Baustellenmanagement“ (2016/17) wurden Maßnahmen einvernehmlich in der Branche und mit dem Bund besprochen, die das Bauen kundenfreundlicher gestalten sollten. Wesentliche Teile sind bis heute nicht oder unzureichend umgesetzt, etwa die bezirks- und staatenübergreifende Baustellenplanung oder eine elektronische Bau- und Kommunikationsplanung. Im vergangenen Winter eskalierte das Qualitätsproblem, zusätzlich befeuert durch viele Störungen, hohes Verkehrsaufkommen und „gerissene“ Bauzeiten. Bundesverkehrsminister Wissing hat das Thema zur „Chefsache“ erklärt. Allein eine Generalsanierung einzelner Korridore ab 2024 löst das Dilemma zwischen Bauen und Fahren jedoch noch nicht.
Akuter Handlungsbedarf: Bahnstrompreise gefährden die Verlagerungsziele
Während der Dieselpreis spürbar gestiegen ist (plus 55 % im Vorjahresvergleich), hat der Bahnstrom längst astronomische Höhen erreicht. Zuletzt war er bis zu 1000 Prozent höher als noch am Anfang des Jahres 2021. Die Lkw-Flotten bekamen direkte Hilfen in Form eines Tankrabatts, mit dem dritten Entlastungspaket folgt die Aussetzung der CO2-Abgabe. Güterbahnen steigen zum Teil auf Dieselloks um, weil das billiger ist, während andere Verkehre an den Straßengüterverkehr verloren gehen. Mehr Klimaschutz bedeutet auch, dass den vom Strompreisanstieg gefährdeten Eisenbahnverkehrsunternehmen geholfen wird und die Preisrelation zwischen Diesel und Strom den klimafreundlichen und energieeffizienteren Verkehrsträger unterstützt und nicht umgekehrt.