Sehr geehrte Frau Dr. Scharrenberg,
vielen Dank für die Möglichkeit, zur beabsichtigten Änderung der Bundeseisenbahngebührenverordnung (BEGebVO) Stellung zu nehmen. Im Grundsatz möchten wir unsere erste Stellungnahme vom 13. März 2016 auch in Kenntnis Ihres Schreibens vom 13. Juli 2016 samt übersandtem VO-Entwurf bekräftigen und unten ergänzen. Gerne möchten wir in diesem Kontext auch noch einmal die per mail am 24. August 2016 Ihnen gegenüber aufgeworfene Frage wiederholen, welche vergleichbaren Fallkonstellationen existieren, in denen innerhalb des Verkehrssektors die Kosten einer gesetzlich angeordneten Kontrolltätigkeit durch die beauftragte Behörde vollständig kostendeckend auf die Kontrollierten überwälzt wird?
Eine vollständige Finanzierung der staatlichen Kontrolltätigkeit im Rahmen der Erteilung von Sicherheitsgenehmigungen, Sicherheitsbescheinigungen, einer nationalen Bescheinigung, Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen sowie Bescheinigungen über eine Instandhaltungsfunktion nach EU-Recht ist unseres Erachtens rechtlich nicht zulässig.
Das Vorhaben würde die betroffenen Unternehmen mit erheblichen zusätzlichen Kosten (insgesamt laut Entwurf mit knapp 20 Mio. Euro pro Jahr) belasten, ohne dass die Berechtigung des Umfangs und die Effizienz bei der Durchführung in irgendeiner Art und Weise aktuell und zukünftig überprüfbar wären.
Grundsätzlich ist aus Sicht des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V. die Überwachung der einschlägigen Vorschriften nicht zu beanstanden und die Praxis, dass Gebühren (nur) bei festgestellten Rechtsverstößen erhoben werden, nachvollziehbar.
Die Verschiebung von behördlichem Aufwand auf die kontrollierten Unternehmen würde den anzustrebenden fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern ein weiteres Mal zu Lasten des Schienenverkehrs belasten und damit entgegen der Ausführungen in der Begründung sehr wohl gegen die Vorgaben der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wirken, da die Steigerung des Anteils des Schienengüterverkehrs am Güterverkehrsmarkt (Indikator 11d) hierdurch behindert würde.
Wir möchten daher unsere Forderung erneuern, das Vorhaben der Änderung der BEGebVO ersatzlos aufzugeben.
Es ist festzuhalten, dass für die vorgesehene Einführung einer neuen Gebührenregelung zur vollständigen Deckung der Kosten des Bundes offenbar keine Änderung der „nachgelagerten“ Überwachungstätigkeit selbst ausschlaggebend ist.
Die Überwachungstätigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes in den genannten Bereichen stellt entgegen der Behauptung des Verordnungs-Entwurfes keine „individuell zurechenbare öffentliche Leistung“ dar.
Die Begründung des Verordnungs-Entwurfs bezieht sich auf § 3 Abs. 2 Nr. 4, 1. Halbsatz Bundesgebührengesetz (BGebG). Danach ist eine Leistung individuell zurechenbar, bei der ein Anknüpfungspunkt im Pflichtenkreis des von der Leistung Betroffenen rechtlich begründet ist.
Allerdings schränkt der 2. Halbsatz dieser Vorschrift die Möglichkeit von Gebührenpflichten insoweit ein, als für die Kosten von Stichprobenkontrollen nur in engen Grenzen Gebühren erhoben werden dürfen.
Dieser zweite Halbsatz ist auch einschlägig, weil das EBA in dem nach der Verordnung Nr. 1077/2012 zu entwickelnden Überwachungsplan zur Überprüfung, ob die in der Sicherheitsbescheinigung bzw. –genehmigung enthaltenen Bedingungen und Anforderungen eingehalten werden, im Zweifel maßgeblich Stichprobenkontrollen vorsehen wird. In der Praxis würden daher die mit der Neufassung der BEGebV erweiterten Gebührentatbestände gerade auch für Stichprobenkontrollen erhoben.
Dies ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzung des § 3 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz BGebG für eine Gebührenerhebung für Stichprobenkontrollen nicht vorliegen. Voraussetzung ist nämlich zunächst, dass die Stichprobenkontrollen „nach anderen Gesetzen des Bundes oder Rechtsakten der Europäischen Union besonders angeordnet sind“. Weder die einschlägigen EU-Verordnung Nr. 1077/2012, die Richtlinie 2004/49/EG noch das AEG schreiben jedoch Stichprobenkontrollen im Rahmen der Überprüfung, ob die in der Sicherheitsbescheinigung bzw. –genehmigung enthaltenen Bedingungen und Anforderungen eingehalten werden, vor. Im Gegenteil: Die maßgebliche Verordnung Nr. 1077/2012 überlässt es gerade den nationalen Sicherheitsbehörden, Überwachungsstrategien und einen Überwachungsplan zu entwickeln.
Es fehlt aber auch an der zweiten Voraussetzung des § 3 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz BGebG für eine Gebührenerhebung für Stichprobenkontrollen, nämlich dass „von dem Gegenstand der Kontrolle eine erhebliche Gefahr ausgeht.“ Denn allenfalls von Zügen und Fahrzeugen (die kontrolliert werden), nicht jedoch von Sicherheitsmanagementsystemen und Sicherheitsbescheinigungen sowie Instandhaltungsstellenbescheinigungen bzw. einer Bescheinigung über Instandhaltungsfunktionen könnte eine „erhebliche Gefahr“ ausgehen.
Der Versuch, im Eisenbahnsektor die Kosten einer originär staatlichen Kontrollaufgabe vollständig auf den (nicht freiwillig) Kontrollierten, der aus der Kontrolle (der Einhaltung der Rechtsvorschriften) auch keinen Nutzen ziehen kann, zu überwälzen, ist weder durch die einschlägigen EU-Vorschriften z.B. EU-VO 1077/2012 oder EU-VO 445/2011 noch das Bundesgebührengesetz gedeckt. Im Gegensatz dazu beschreibt die zitierte EU-VO 1077/2012 (CSM) in Artikel 5 (2), dass die im Rahmen der Überwachung gewonnenen Daten von den staatlichen Behörden bei der Neubewertung des SMS genutzt werden können/sollen.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat in seiner Stellungnahme vom 18. August völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die Überwälzung von Kosten einer allgemeinen Kontrolltätigkeit nicht zu vergleichen ist mit einer freiwilligen Zertifizierung und schon aus diesem Grund keine Analogie zulässig ist.
Die Beibehaltung der bisherigen Praxis, wonach Unternehmen die Kosten einer Kontrolle tragen müssen, bei der es zu berechtigten Beanstandungen kommt, ist aus unserer Sicht ausreichend, um das im Interesse von Personalen, Reisenden, Anwohnern und unbeteiligten Dritten zu gewährleistende Sicherheitsniveau hinreichend auch durch die Überwälzung von Gebühren sicherzustellen.
Darüber hinaus möchten wir darauf hinweisen, dass die vorgesehene rückwirkende Inkraftsetzung der Gebührenpflicht unseres Erachtens ebenfalls keine ausreichende rechtliche Grundlage hat.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Westenberger
Geschäftsführer