Am Ende von Tankrabatt, 9-Euro-Stresstest der Infrastruktur und parlamentarischer Sommerpause wird deutlich, dass die Ampel bisher keine Verkehrswende betreibt.
„Deutschland ist von der Verkehrswende im Güterverkehr weiter entfernt als vor einem Jahr“, sagte der Vorstandsvorsitzende der GÜTERBAHNEN, Ludolf Kerkeling, heute in Berlin zum Auftakt der Klausursitzungen von Kabinett und Fraktionen der Ampel. Während die Konjunkturlage und das spürbar wachsende Interesse vieler Unternehmen am Schienentransport zusammen mit Zusatzanforderungen infolge des Ukraine-Krieges und der klimabedingten Probleme der Binnenschifffahrt für hohe Nachfrage sorgt, „kommt die Regierung nicht vom Fleck. Wir hätten erwartet, dass steigende Treibhausgas-Emissionen in der Strom- und Wärmeerzeugung und das vierte massive Trockenjahr in Folge den Umstieg auf die hoch klimafreundliche und energieeffiziente Schiene beschleunigen würden. Falsch. Bewegung kommt aus dem Markt, die Politik ist bisher keine Hilfe. Industrielle Logistiker und Klimaschützer leiden gleichermaßen daran, dass die zuständigen Ministerien das Schienennetz und den Schienengüterverkehr nur mit Worten, aber bisher nicht mit Taten unterstützt haben“, so Kerkeling.
„Der Sommer ist vorübergegangen, ohne dass sich an der besonders dringlichen Baustellensituation nach unserer Wahrnehmung etwas verbessert hat“, sagte GÜTERBAHNEN-Geschäftsführer Peter Westenberger am Rande einer Veranstaltung des Verbandes mit dem nordrhein-westfälischen Verkehrsminister Oliver Krischer in Nideggen (Eifel). Wie zur Bestätigung sei am Wochenende eine Baustelle auf der Rheintalbahn südlich von Freiburg kollabiert. Nach der fünften baubedingten Wochenendsperrung ohne Ausweichstrecke hintereinander musste die Hauptschlagader des europäischen Güterverkehrs nun zwei weitere Tage lang halbseitig abgeklemmt werden. Westenberger warnt: „Der Netzinfarkt rückt näher!“ Und weiter: „Verweise auf eine immer noch nicht präzisierte „Generalsanierung“ ab 2024 reichen nicht. Die von Verkehrsminister Wissing und DB-Chef Lutz im Juni angekündigte, aber bis heute nicht präzisierte „Generalsanierung des Netzes“ in ein bis zwei „Korridoren“ ist aber so oder so nicht ausreichend.“ DIE GÜTERBAHNEN haben sofortige Anpassungen der Baustellenplanung, Aussagen zum restlichen Netz, das im Koalitionsvertrag angekündigte „Programm Schnelle Kapazitätserweiterung“ und Trassenpreis-Abschläge wegen der schlechten Qualität gefordert. Bekommen haben sie nichts: keine Reaktion auf die Forderungen zu Baustellen und Ausbau, eine Absage zu finanzieller Kompensation und stattdessen am Freitag die Ankündigung, wie jedes Jahr auch ab Ende 2023 die Trassenpreise weiter erhöhen zu wollen. Zeitgleich will die Regierung die seit 2018 gewährte Trassenpreisförderung auslaufen lassen.
Auch bei den Rahmenbedingungen muss „die Irrfahrt der Regierung enden“, so Thomas Knechtel, Vorstandsmitglied der GÜTERBAHNEN, am gestrigen Abend in Nideggen. „Statt den Dieselverbrauch durch Tankrabatt und die neue Idee einer Aussetzung der CO2-Bepreisung anzuheizen und der unfassbaren Bahnstrompreissteigerung – in der Spitze bis zu 1000 Prozent – tatenlos zuzusehen, müsste die Regierung wie in anderen Ländern eine Energiepreisschere zwischen Lkw und Schiene verhindern.“ Es darf nicht sein, dass die Klimafreundlichkeit der elektrisch betriebenen Schienenverkehre sogar im eigenen Sektor unterlaufen wird, weil auf einigen Strecken die Fahrt einer Diesellok einen Preisunterschied von 30 % ausmacht.“
Kerkeling abschließend: „Bei den jetzt beginnenden Haushaltsberatungen muss sich zeigen, ob die Koalition hinter ihrem eigenen Grundlagenvertrag steht. Sie muss vor allem die Investitionen in den Neu- und Ausbau der Schiene gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung deutlich erhöhen und kontraproduktive Subventionen wie die Lkw-Maut-Befreiung auf 94 % des Straßennetzes beenden.“
Zum Bericht über die erwähnte Veranstaltung mit NRW-Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer geht es hier.
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