"Man brauche jetzt endlich den „Wumms“ beim Ausbau der Schiene."
Einigkeit in der Frage, dass die Regierung ihren vielen Versprechungen zur Stärkung des Schienengüterverkehrs noch viele Taten folgen lassen muss, Bruchlinien wenn es um die Fragen der künftigen Organisation des Eisenbahnwesens in Deutschland geht. Der laue Sommerabend, an dem die Wettbewerbsbahnen des Schienengüterverkehrs die Spitze der Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in der Reihe „Zu Gast bei Freunden“ eingeladen hatten, begünstigte den offenen Abgleich von Positionen und Forderungen. Martin Burkert, stellvertretender EVG-Vorsitzender und langjähriges Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion verlor kein böses Wort über den Verkehrsminister aus der CSU, aber die Unzufriedenheit, dass in Masterplänen viele begrüßenswerte Maßnahmen aufgezählt und trotzdem fast nichts umgesetzt würde, war angesichts seiner langen Liste offener Aufgaben mit Händen greifbar. Infrastrukturinvestitionen, Modernisierung, Ausbildungsförderung, keine nicht verbrauchten Schienenmittel für Straßenbauten, etc. Man brauche jetzt endlich den „Wumms“ beim Ausbau der Schiene.
Einen vorsichtigen Schulterschluss mit den privaten Güterbahnen gab es, als Burkert als Antwort auf die Klage der Wettbewerbsbahnen, bei den Corona-Hilfen bisher leer ausgegangen zu sein, antwortete, man habe sich als Gewerkschaft von Beginn an für Hilfen für alle Güterbahnen eingesetzt und es sei ein Skandal, dass es noch keine Hilfe für den Güterverkehr gebe. Kontrovers wurde es allerdings schon beim „Wie“: dem Hinweis von Burkert, jedes Unternehmen müsse auch seinen Eigentümer ansprechen, widersprachen mehrere Teilnehmer des bunt gemischten Abends vehement. Die Bedingungen für die privaten Güterbahnen seien mit denen der bundeseigenen DB mit unbegrenzten staatlichen Mitteln im Rücken nicht vergleichbar. Die geplante Eigenkapitalerhöhung fördere direkt die nicht nur wegen Corona defizitäre DB-Tochter, verzerre damit den Wettbewerb und das sei nach dem geltenden EU-Beihilferecht nicht zulässig. Man wolle nicht gegen die Beihilfe klagen, so NEE-Geschäftsführer Peter Westenberger in Anspielung auf eine aktuelle Schlagzeile, aber man behalte es sich vor, Gleichberechtigung vor Gericht einzufordern, wenn die EU-Kommission nicht schon dafür sorge. NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling warnte davor, den erreichten Stand des Wettbewerbs zu gefährden – „oder wollen wir in zehn Jahren wieder die Bundesbahn haben?“
Auch GDL-Chef Claus Weselsky stieß ins gleiche Horn und warnte im Übrigen davor, das „Jetzt“ angesichts der vielen Visionen und Pläne aus dem Auge zu verlieren. Die von Burkert („vor allem für den Einzelwagenverkehr“) zuvor besonders gepriesene Schlüsseltechnologie „Digitale Automatische Kupplung“ für Güterwagen und -loks stieß durchaus auf einige Rückfragen der Gäste: was mache man denn mit dem Einzelwagenverkehr bis zur vollständigen Umrüstung? Ist eine Stärkung des Kombinierten Verkehrs nicht vielleicht doch effektiver? Was kostet das? So förderten die Beiträge von Burkert und seinen Gastgebern eine muntere Diskussion, die von den Gästen noch lange nach der Auflösung in corona-konforme Gesprächskreise fortgeführt wurden. Unter freiem Himmel mal wieder nicht nur über Zoom, Skype oder Teams miteinander zu sprechen, machte sichtlich gute Laune.
Damit Burkert und die EVG sich „noch mehr mit den Wettbewerbsbahnen befassen können“, überreichten die NEE-Vertreter dem Gewerkschafter als kleines Dankeschön einen Gutschein für eine Mitfahrt auf der „komplett aus eigenen Mitteln des Unternehmens Havelländische Eisenbahn“ (Westenberger) finanzierten, derzeit stärksten und besonders klimafreundlichen Güterzuglokomotive, der Stadler-Hybridlok EuroDual.
Die nächste Veranstaltung aus der Reihe plant das Netzwerk optimistisch indoor am 11. Januar 2021.
Mit der Bildergalerie erhalten Sie einen Eindruck von der Veranstaltung „Zu Gast bei Freunden“ des NEE